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sche Spielfilm »Casomai - Trauen wir uns?!« Bei einer Hochzeit entwirft der schalkhafte Priester ein mögliches Szenario der künftigen Familie, das nicht nur Platz für Hochgefühle, sondern auch für den Spagat zwischen Leistungsgesellschaft und Familie in einer immer egoistischer werdenden Gesellschaft bietet. Der britische Film »Lieber Frankie« thematisiert die Sehnsucht eines 10jährigen Jungen nach einer normalen Familie. »Pieces of April - Ein Tag mit April Burns«, eine US-amerikanische Produktion, feiert die Versöhnung des »schwarzen Schafes« der Familie mit der Mutter. Selbst eine deutsche »multikulturelle Komödie« wie »Kebab Connection« stellt die Frage in den Mittelpunkt, ob ein junger deutsch-türkischer Möchtegern-Regisseur sich der Vaterrolle gewachsen sieht. Das italienische Drama »Licht meiner Augen« lässt angesichts der Vereinsamung in der heutigen Gesellschaft die Sehnsucht spüren, in der Familie endlich Heimat zu erfahren. Der aktuelle amerikanische Film »Little Miss Sunshine« schließlich liefert ein Plädoyer für die Familie unter der Oberfläche einer schrägen Komödie.

»Zur Zeit gelangen Spielfilme in die Kinos in denen jedoch familiäre Werte eine wichtige Rolle spielen.«
 Darüber hinaus gelangen zurzeit Spielfilme in die Kinos, die zwar zu unterschiedlichen Genres gehören, in denen jedoch familiäre Werte eine wichtige Rolle spielen. Beispielhaft genannt sei hier Tim Burtons »Big Fish - Der Zauber, der ein Leben zur Legende macht«. Vordergründig wird ein Leben in fantasievolle Bilder umgesetzt, letztlich aber eine Vater-Sohn-Beziehung mit einem deutlichen Plädoyer für eheliche Treue behandelt. Erwähnt werden sollte auch Roland Emmerichs »The Day After Tomorrow«: Ein Klimakatastrophen-Szenario verwebt mit einer Familiengeschichte und der Versöhnung bereits geschiedener Eheleute. Schließlich gehört in diese Kategorie der als bester Animationsfilm mit dem diesjährigen Oscar ausgezeichnete »Die Unglaublichen«: auf den ersten Blick ein Superhelden-, eigentlich jedoch ein Familienfilm. Die gesamte Familie zusammen erst überwindet alle Gefahren im Kampf gegen die bösen Widersacher.

Im deutschen Kino befindet sich zurzeit ebenfalls der mit der Vergangenheitsbewältigung eng verbundene historische Film im Umbruch. Jahrzehntelang galt es als ungeschriebenes Gesetz, Hitler filmisch »keine Bühne« zu bieten. Er durfte, wenn überhaupt, nur kurz oder lediglich von hinten gezeigt werden. Oliver Hirschbiegels »Der Untergang« (2004) bricht mit der Darstellung Hitlers das vielleicht letzte Tabu im Film: Nach sechzig Jahren wagt sich ein deutscher Spielfilm an eine Charakterstudie Hitlers in seinen letzten Tagen vom 20. April bis zum 2. Mai 1945. Basierend auf dem gleichnamigen Buch von Joachim Fest sowie auf dem Bericht »Bis zur letzten Stunde« von Hitlers Sekretärin Traudl Junge und Melissa Müller, zeichnet »Der Untergang« die letzten zwölf Tage Hitlers nach. Der Spielfilm enthält sich zwar bewusst einer Deutung (»Von Interpretation kann man nicht wirklich sprechen«, so Regisseur Hirschbiegel). Er bietet jedoch eine Ausgangsposition, von der aus nach den Ursachen eines solchen Unrechtsregimes gefragt werden kann. Diesen Versuch unternimmt wohl auch Joachim Fest im Schlusskapitel seines Buches.

Darüber hinaus zeigte Joachim Fest in einem Interview einen hintergründigeren Ansatz auf: »Das ganze Menschenbild der Aufklärung ist durch Hitler als falsch entlarvt worden. Wir haben uns etwas vorgemacht. Die Aufklärung hat geglaubt, der Mensch sei gut, er müsse nur das rechte Wissen erwerben und zuträgliche soziale Verhältnisse vorfinden, dann steuere man auf den Frieden, das Glück und den Wohlstand zu. Das war sehr hochherzig, aber naiv. Mit der Wirklichkeit hat es nichts zu tun.« Mit anderen Worten: Die Wurzel moderner Gewaltherrschaft könnte in einem Menschenbild liegen, das antrat, um das christliche Menschenbild zu verdrängen. Diese Einsicht stellt gewiss eine interessante Grundlage für weitere Diskussionen dar.

Mit einem weiteren Tabu des deutschen Kinos wurde ebenfalls im Jahre 2004 gebrochen: Volker Schlöndorffs »Der neunte Tag« zeigt in den ersten zwölf Minuten die nach Jahrzehnten ersten KZ- Bilder eines deutschen Regisseurs. »Ich habe es nie für möglich gehalten, dass man das Leben im KZ überhaupt zeigen und inszenieren kann, dass man einfach behaupten kann, mit der Kamera im KZ zu sein. Andere haben es mir vorgemacht: Ich denke zum Beispiel an die Filme âSchindlers ListeÔ und âDer PianistÔ. Daraufhin fühlte ich mich aufgefordert, das als Deutscher erst recht zu versuchen«, führte Regisseur Schlöndorff dazu aus.

»Es ist richtig und wichtig, dass die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit nicht Hollywood überlassen wird.«
 Es ist richtig und wichtig, dass die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit nicht Hollywood überlassen wird. Der sechzigste Jahrestag nach Kriegsende wurde zum Anlass einer neuen Vergangenheitsbewältigung im deutschen Film. Gegenstand dieser filmischen Auseinandersetzung war nicht nur das Regime an sich. Neben »Der Untergang« sollte insbesondere Dennis Gansels »Napola - Elite für den Führer« (2004) Erwähnung finden. Der Film zeigt das erschreckende Erziehungskonzept in den »Nationalpolitischen Erziehungsanstalten« (Napola) des Nationalsozialismus.

Besonders der Widerstand zog de Aufmerksamkeit mehrerer Filmemacher auf sich. So entstanden, abgesehen vom bereits erwähnten »Der neunte Tag« die filmisch wie inhaltlich anspruchsvollen Spielfilme »Edelweißpiraten« (Niko von Glasow, 2002) sowie »Sophie Scholl - Die letzten Tage« (Marc Rothemund, 2004). Sogar eine auf sehr schmalem Grat wandelnde Komödie über Adolf Hitler mit dem Titel »Mein Führer. Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler« wird Anfang 2007 in die Kinos kommen.

Die unterschiedliche Betrachtungsweise der Weißen Rose im gleichnamigen Film von Michael Verhoeven aus dem Jahre 1982 und Rothemunds »Sophie Scholl« zeigt deutlich, dass heute nicht vorwiegend die politischen, sondern eher die Weltanschauungsaspekte im Vordergrund stehen. So bietet am ehesten der neue Film eine Reise in die reiche Innenwelt einer lebensbejahenden, hochgebildeten jungen Frau, die »ihre große Kraft aus ihrem Glauben geschöpft hat« (Julia Jentsch über ihre Rolle der Sophie Scholl). Denn die tiefste Quelle ihres Widerstandes gegen das atheistische Staatssystem war der christliche Glaube, den die Geschwister Scholl im Kontakt mit großen christlichen Denkern neu entdeckt hatten.

Auch für Volker Schlöndorffs »Der neunte Tag«, der die Erinnerungen des luxemburgischen Priesters Jean Bernard verfilmt, spielt der Glaube des im KZ gefangenen katholischen Geistlichen eine zentrale Rolle. Denn der Film verdeutlicht, »dass Christentum und Nationalsozialismus in einem wirklich geistesgeschichtlichen Ringen waren, aber der Priester stark genug war, dieser Versuchung nicht zu erliegen« (Helmut Moll, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für das Martyrologium des 20. Jahrhunderts).

In dieses Bild passt das neue Gewicht, das der christlichen Religion im gegenwärtigen Kino eingeräumt wird. Nicht nur Spielfilm mit »religiösem« Inhalt wie Mel Gibsons »Die Passion Christi« (2004) oder zurzeit »Es begab sich aber zu der Zeit ...« (2006) zeugen von einem wieder erstarkenden Interesse am Christentum. Als Parabel nach dem alttestamentlichen Buch Hiob verdeutlicht der dänische Spielfilm »Adams Äpfel« (Anders Thomas Jensen, 2005) erneut die Nähe des Kinos zu den Grundfragen der menschlichen Existenz die im christlichen Glauben eine Antwort finden: Liebe, Vergebung, Leiden, Schuld und Sühne, Sehnsucht nach Erlösung.

Nach Jahrzehnten, in denen im Kino eher seichte Unterhaltung vorherrschte, lässt sich im Film ein neuer, ein seriöserer Umgang mit der eigenen Geschichte, mit Familienwerten sowie mit religiösen Fragen feststellen. Kinokunst hat Zukunft.

Artikel vom 24.03.2007