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Ereignisse aus der Welt des Netzes

Mathias Mertens schreibt über die Anfänge und seine Weiterentwicklung

Von Wolfgang Braun
Bielefeld (WB). Was Anfang der 90er Jahre als Tummelplatz für Computerfreaks begann, hat atemberaubend Geschichte geschrieben.

In seinem Buch »Kaffeekochen für Millionen - die spektakulärsten Ereignisse im World Wide Web« lädt der Gießener Medienwissenschaftler Mathias Mertens ein, Wegmarken dieser rasanten Entwicklung zu besichtigen. Regelrecht vorsintflutlich mutete beispielsweise noch der Browser »Navigator« an, der von 1994 an von der Firma Netscape - von dem Studenten und Programmierer Marc Andreessen gegründet - gratis vertrieben wurde und das Netz erst für ein Massenpublikum zum Leben erweckte. Der Börsengang des Unternehmens im Jahre 1995 brachte den Dotcom-Boom mit seinen Milliarden-Dollar-Spekulationen ins Rollen, der wenige Jahre später im Fiasko endete. Damit war auch das zuvor noch sehr geheimnisumrankte Internet zum Medienereignis geworden. Schon wenige Jahre später, als der Starr-Report 1998 über die Affäre des US-Präsidenten Bill Clinton mit seiner Praktikantin Monica Lewinsky im Netz veröffentlicht wurde und Journalisten das Nachsehen hatten, wurde deutlich, dass das neue Massenmedium den »alten« Medien Presse, Funk und Fernsehen den Rang abzulaufen in der Lage war.
Um wieviel authentischer als die »eingebetteten« Journalisten, die die vorstoßenden US-Truppen begleiten durften, schilderte 2003 ein junger Iraker unter dem Pseudonym Salam Pax die Situation beim Angriff der US-Streitkräfte auf Bagdad in seinem von Millionen gelesenen Webtagebuch. Auch das ein Zeichen, dass sich die Gewichte verschoben hatten, dass das Netz eine ungeahnte Eigendynamik entwickelt hatte.
Das Wachsen des neuen, durch Massenresonanz sich aufladenden Kraftfeldes beleuchtet der Autor in seinen kenntnisreichen, brillanten Analysen, die er regelrecht erzählerisch locker, nie abstrakt dozierend oder sich in technischen Details verlierend entfaltet. Er erinnert dabei an den »Urknall«, als man von 1993 an weltweit dank einer Web-Cam den Füllstand der Kaffeemaschine im Trojan Room der Universität Cambridge verfolgen konnte. Ein Ereignis, das in der Washington Post gar mit Marconis erster Radioübertragung verglichen wurde. Die Verbreitung des Computer-Spiels Doom mit einer revolutionären 3-D-Graphik begründete im selben Jahr die Marketingstrategie, Softwarekäufer mit so genannter Shareware zu ködern.

Mathias Mertens: Kaffeekochen für Millionen - die spektakulärsten Ereignisse im World Wide Web. Frankfurt, 182S., Campus 2006, 19,90 Euro/ISBN 3-593-38025-0.

Artikel vom 22.03.2007