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Lebende Oma für tot erklärt

Wie ein Brief der Krankenkasse in Willebadessen für viel Wirbel sorgte

Von Jürgen Vahle
Willebadessen (WB). Katharina Steinbach aus Willebadessen-Ikenhausen ist 84 Jahre alt. Sie hat Rheuma in den Knochen, kann schlecht laufen und nur noch sehr wenig sehen. »Aber tot bin ich noch nicht!«, sagt die Rentnerin. Denn genau das ist ihr von der Krankenkasse unterstellt worden.

»Zum Tode Ihrer Schwiegermutter sprechen wir Ihnen unsere Anteilnahme aus«, heißt es in dem Schreiben der AOK, das Ende Februar bei ihrer Schwiegertochter Ingrid Steinbach eintraf. »Als ich die Zeilen gelesen hatte, musste ich mich erst einmal hinsetzen«, berichtet die 47-Jährige. »Im selben Moment hat mich meine Schwiegermutter von oben gerufen - da wusste ich, dass alles in Ordnung ist!« Nicht viel anders erging es der Totgesagten selber: »Ich war geschockt und habe erstmal gefühlt - aber das Herz schlug noch!«
Die Nachricht vom angeblichen Tod der Schwiegermutter und Oma traf die Familie wie ein Hammer. Denn das Leben meinte es zuletzt nicht gut mit den Steinbachs. 2001 starb Katharina Steinbachs Sohn Gerd an einem Herzinfarkt - und hinterließ seine Frau Ingrid mit drei minderjährigen Kindern.
Weitere Todesfälle in der Verwandtschaft hatte es erst kurz vor dem Eintreffen des Briefes gegeben. »Dass wir ein solches Schreiben natürlich mit ganz anderen Augen lesen, ist doch klar«, sagt Ingrid Steinbach.
Doch nicht nur die falsche Todesnachricht sorgte für Verwirrung in Ikenhausen - das dicke Ende sollte erst noch kommen: In dem Brief der AOK wurde Ingrid Steinbach gleichzeitig mitgeteilt, dass sie nun, da ihre Schwiegermutter tot sei, auch kein Pflegegeld mehr für die Seniorin erhalten werde und dass zuviel gezahlte Beträge doch bitte zurück überwiesen werden sollen.
Dass die Rente der alten Dame weiter verfügbar war, verdanken die Steinbachs einem Zufall: Die Rentenkasse wollte das bereits gezahlte Geld nämlich schon vom Konto der 84-Jährigen zurückbuchen lassen. Doch die Mitarbeiter der Volksbank in Peckelsheim kennen ihre Kundschaft und wussten genau: »Katharina Steinbach lebt, die Rente bleibt auf dem Konto!«
Die ganze Angelegenheit aus der Welt zu schaffen, war für die Familie Steinbach eine wahre Odyssee durch die Telefonleitungen und Zuständigkeiten der Kassen und Ämter. »Ich wollte herausfinden, wem der Lapsus unterlaufen war und wie ich den Fehler aus der Welt schaffen kann«, erklärt Ingrid Steinbach.
In mehreren Telefonaten teilte sie der AOK mit, dass sich die Schwiegermutter - den Umständen entsprechend - guter Gesundheit erfreut. Schriftlich bekam sie allerdings zunächst nur einen Nachweis über die Zeit, in der sie die Schwiegermutter gepflegt hatte. Der erlösende Brief der Krankenkasse trudelte drei Wochen nach der Todesnachricht in Ikenhausen ein. Es habe wohl eine »Fehlmeldung/ Verwechslung durch den Rentenversicherungsträger« gegeben, teilte die Kasse am Ende des Schreibens mit. In der Tat habe es einen bedauerlichen Fehler gegeben, räumt Christian Koopmann, Sprecher der Deutschen Rentenversicherung, ein. Es sei ein Mensch gestorben, der eine nahezu identische Rentenversicherungsnummer wie Katharina Steinbach gehabt habe.
Die Angelegenheit scheint geklärt - für die Familie Steinbach hat sie dennoch einen bitteren Nachgeschmack. Eine formelle Entschuldigung von der Deutschen Rentenversicherung hat es bis heute nicht gegeben. Doch die soll in den kommenden Tagen folgen, verspricht Christian Koopmann. »Die Angelegenheit tut uns ausgesprochen leid, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Familie zuletzt so viele Schicksalsschläge hinnehmen musste«, sagte der Sprecher der Deutschen Rentenversicherung am Freitag.

Artikel vom 24.03.2007