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»Das oft beklagte demokratische Defizit der Europäischen Union wird mit dieser Verfassung kleiner.«

Leitartikel
EU-Verfassung

Denkpause
endlich
beenden


Von Dirk Schröder
Eine Denkpause hatten sich die Staaten der Europäischen Union auferlegt, nachdem 2005 Franzosen und Niederländer in Volksabstimmungen die EU-Verfassung abgelehnt hatten. Dieses Non und Nee kam aber auch anderen Regierungen wie denen in Großbritannien oder Polen gerade recht. Auch dort wollte man sich mit der Verfassung nicht anfreunden. Es war aber nicht so sehr die Angst vor einem angeblichen »Superstaat«, es waren und sind bis heute vor allem ganz egoistische nationale Gründe. So sehen auch europafreundliche Politiker in Großbritannien in der EU in erster Linie immer noch eine gigantische Freihandelszone.
Und Polen will weiterhin nicht von seinem bisherigen Stimmrechte-Status abweichen, auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch bei den Kaczynski-Zwillingen in Polen Einlenken im Streit über die Zukunft der EU erkannt haben will.
Jetzt - nach nahezu zwei Jahren Denkpause - wird es aber Zeit, dass sich Gegner und Befürworter endlich zusammenraufen und die Verfassungskrise lösen. Und die 50-jährige Geburtstagsfeier der Europäischen Union in Berlin sollte für die 27 EU-Regierungen Anlass sein, diese Erfolgsgeschichte fortzuführen. Beginnend mit den Römischen Verträgen hat es über Maastricht bis hin zu Nizza immer wieder Verträge gegeben, die die Erfolgsgeschichte fortgeschrieben haben. Sie konnten aber auch immer wieder nur ein Kompromiss sein.
Bei nun 27 Mitgliedsstaaten reicht der Vertrag von Nizza nicht mehr. Ein Europa, das in wesentlichen politischen Bereichen auf der Grundlage des Einstimmigkeitsprinzips geführt wird, ist auf Dauer handlungsunfähig.
Der 2005 gescheiterte EU-Verfassungsentwurf, der ebenfalls nur die Auffassungen von damals noch 25 Staaten zusammenführen kann, ist bei aller Kritik eine gute Grundlage für eine weiterhin erfolgreiche Zukunft der EU. Natürlich haben die »Väter« dieser Verfassung auch Fehler gemacht. Und der größte war wohl, das Vertragswerk Verfassung zu nennen. Doch was letztlich dabei herausgekommen ist, kann sich sehen lassen.
Die Kompetenzen zwischen Brüssel und den Mitgliedsstaaten werden klarer geregelt. Gestärkt werden die Rechte der Bürger, aufgewertet das EU-Parlament und ausgebaut der Einfluss der nationalen Parlamente. Kurzum: Das oft beklagte Demokratie-Defizit der Union wird mit dieser »Verfassung« kleiner.
Mit ihrer »Berliner Erklärung« will Angela Merkel den Weg für eine Verständigung in der Verfassungsfrage ebnen und am Ende ihrer Amtszeit als EU-Ratspräsidentin im Juni einen Fahrplan für das weitere Vorgehen vorlegen.
Das wird eine Herkulesaufgabe. Wie sagte dieser Tage der Philosoph Jürgen Habermas: »Ein Verfassungsrahmen für gemeinsame Politiken verlangt einen gemeinsamen politischen Willen, der über die Wahrnehmung nationalstaatlich einzuheimsender Dividenden hinausgeht.«
Zu viele haben den Sinn des europäischen Projekts noch nicht verstanden.

Artikel vom 22.03.2007