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Angeklagte wehren sich

Ex-Bundeswehrausbilder streiten Misshandlungen ab

Münster (dpa). In einem der größten Prozesse der Bundeswehr-Geschichte um die Misshandlung von Rekruten haben drei angeklagte frühere Ausbilder die Vorwürfe weitgehend abgestritten.
Zwar hätten sie Übungen mit simulierten Geiselnahmen geplant, von Misshandlungen aber nie etwas gesehen, sagten der frühere Kompaniechef und zwei damalige Zugführer zum Prozessauftakt gestern vor dem Landgericht Münster. Die Übungen, bei denen Rekruten nach Darstellung der Staatsanwaltschaft getreten, geschlagen und mit Wasser bespritzt wurden, seien »Höhepunkt der Ausbildung« gewesen, sagten sie einhellig. Dies sei von den Rekruten bestätigt worden.
Vor der 8. Großen Strafkammer müssen sich insgesamt 18 frühere Bundeswehr-Ausbilder - der frühere Kompaniechef im Range eines Hauptmannes und 17 Unteroffiziere - des Instandsetzungsbataillons 7 aus der Freiherr-vom-Stein-Kaserne in Coesfeld wegen Misshandlung Untergebener verantworten.
Die beiden Zugführer hatten laut Anklage die Idee, eine gestellte Geiselnahme als Höhepunkt eines nächtlichen Orientierungsmarsches in die Rekrutenausbildung aufzunehmen, obwohl dies in den Richtlinien der Bundeswehr nicht vorgesehen ist. Die Zugführer erklärten, sie hätten von einer Eskalation der zunächst unproblematischen Situation nichts gewusst. Zeugen hatten berichtet, dass ihnen Stromstöße mit einem Feldfernsprecher versetzt wurden oder dass ihnen mit einer Kübelspritze Wasser in die Hosen gepumpt wurde. Ein Zugführer entgegnete, von den Rekruten sei die Rückmeldung gekommen, dass die Ausbildung »richtig geil« gewesen sei.
Die Vorfälle auf einem Übungsplatz der Coesfelder Kaserne hatten 2004 international Aufsehen erregt und umfassende interne Prüfungen der Bundeswehr veranlasst. Dabei war deutlich geworden, dass Coesfeld innerhalb der Streitkräfte kein Einzelfall war. So waren fingierte Geiselnahmen Teil der Ausbildung für alle Bundeswehr-Soldaten, die für Auslandseinsätze auf dem Balkan vorgesehen waren. Ein Großteil der in Münster angeklagten Ausbilder hatte diesen Drill selbst durchlaufen.

Artikel vom 20.03.2007