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Essens-Erlass stößt Beamten auf

Polizeiküchen dürfen bei Großeinsätzen keine Verpflegung mehr liefern

Von Christian Althoff
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Polizisten in Großeinsätzen dürfen nicht mehr von den Küchen der fünf nordrhein-westfälischen Polizeischulen verpflegt werden. NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) hat angeordnet, Privatanbieter zu beauftragen. Das schmeckt den Polizisten überhaupt nicht.

Ob Castor-Transporte, Bundesligaspiele oder Demonstrationen - wenn Polizisten in Ostwestfalen-Lippe in stundenlangen Großeinsätzen gebunden waren, hatte bislang die Großküche der Polizeischule in Schloß Holte-Stukenbrock die Verpflegung geliefert. 14,37 Euro zahlte das Land zuletzt an die Küche, um einen Polizisten im Einsatz mit Frühstück, Mittagessen, Abendbrot, Getränken und einem Snack für zwischendurch zu versorgen. Allein im vergangenen Jahr lieferte die Polizeiküche Stukenbrock 23 808 Portionen außer Haus, außerdem 30 672 Essen für Polizisten im WM-Einsatz. An Warm- und Kaltgetränken wurden 17 000 Liter bereitgestellt.
Diese Zeiten sind vorbei. Als am Wochenende anlässlich einer Demonstration 850 Polizeibeamte aus Nordrhein-Westfalen in Minden zusammengezogen wurden, mussten Soldaten der örtlichen Kaserne aushelfen und Verpflegungsbeutel packen, weil die Polizeischule Stukenbrock seit Jahresanfang kein Essen mehr liefern darf. »Es gibt aber nicht in jeder Stadt eine Bundeswehrküche, auf die man zurückgreifen kann«, sagt Hartmut Kronshage, der im Bielefelder Polizeipräsidium für die Einsatzverpflegung verantwortlich ist. In Stukenbrock anrufen und Essen für 1800 Polizisten im Castor-Einsatz bestellen - das geht nicht mehr. »Unser Kantinenwirt schafft 250 Portionen, den Rest muss ich jetzt über Catering-Firmen organisieren - ein gewaltiger Aufwand«, sagt Kronshage.
»In der Praxis wird es schwer, einen Caterer finden, der von jetzt auf gleich hunderte von Einsatzkräften verpflegt«, gibt Polizeisprecher Werner Wojahn aus Minden zu bedenken. Denn in den vergangenen Monaten habe es Fälle gegeben, in denen das Verwaltungsgericht erst Stunden vor Beginn einer geplanten Großdemonstration entschieden habe, ob diese stattfinden dürfe oder nicht. »Welcher private Lieferant lässt sich denn auf so etwas ein?«, fragt Wojahn.
»Alles eine Sache der Vertragsgestaltung«, wendet Wolfgang Beus, der Sprecher von Innenminister Ingo Wolf, ein. »Privat vor Staat« laute die Devise, und deshalb hätten die 50 Polizeibehörden im Land künftig bei Großeinsätzen keinen Zugriff mehr auf die Küchen der Polizeischulen.
»Ein Irrsinn!«, wettert Frank Richter, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Er verweist auf ein Gutachten, das der Minister beim Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei in Auftrag gegeben hat. Die 101 Seiten starke Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die Privatisierung dieses Bereichs dem Land jährlich etwa 30 Prozent Mehrkosten von 340 000 Euro beschert - weil private Anbieter den Tagessatz von 14,37 Euro überschreiten. Dessen ungeachtet kam zum Jahresende der »Essens-Erlass« des Ministers, und 22 der landesweit 102 Küchenarbeiter mussten gehen - ihre Zeitverträge wurden nicht verlängert. »Und das, obwohl in den Küchen der Polizeischulen mehr zu tun ist als je zuvor!«, kritisiert Hans Günter Bentler, Kreisgruppenvorsitzender der GdP in Stukenbrock. So hat sich die Zahl der Frühstücke in Stukenbrock von 2004 auf 2006 auf 25 000 pro Jahr verdoppelt, die Zahl der Mittagessen stieg von 39 000 auf 92 000, und die der Abendessen von 8000 auf 14 000. Ursache ist, dass die Kreispolizeibehörden die Polizeischule mehr denn je für Fortbildungsmaßnahmen, wie etwa das Amoktraining, nutzen. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 21.03.2007