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Tatmotiv der Jesiden ist weiter im Dunkeln

Tat am Obersee: Richter ändert Haftbefehl in Totschlag

Bielefeld (uko). Die Bluttat am Obersee steht kurz vor der Anklage. Das hat am Montag Staatsanwalt Christoph Mackel bestätigt, dass die Ermittlungen gegen die fünf Jesiden, die gemeinsam an der Tötung des 23-jährigen Türken Umut O. beteiligt waren, nun abgeschlossen sind.

Der in Brake wohnende Umut O. war am 21. Dezember 2006 gegen 21.25 Uhr auf dem Obersee-Parkplatz an der Talbrückenstraße direkt neben dem Viadukt Opfer des Anschlags geworden. Zwei Spaziergänger hatten seinerzeit eine Schlägerei beobachtet und den Rettungsdienst der Feuerwehr alarmiert. Umut O. (23) war dann mit vier Messerstichen in Brust und Bauch neben seinem schwarzen 3-er BMW gefunden worden. In der folgenden Nacht war er gegen 2 Uhr trotz Notoperation im Städtischen Klinikum Mitte verstorben. Welche der Stichwunden indes zum Tod führte, ist bisher ungeklärt.
Schon am darauf folgenden Weihnachtswochenende waren drei Frauen, die Mitglieder einer kurdischstämmigen Jesiden-Familie, als mutmaßliche Täterinnen inhaftiert worden. Es handelt sich um die 43-jährige Suade S., ihre Töchter Samire (30) und Zeynab (17). Ebenfalls verhaftet worden war der 20-jährige Iraker Safin N., zwei Wochen später war mit dem gleichaltrigen Alisan H. aus Hamm der fünfte mutmaßliche Täter per Haftbefehl festgesetzt worden.
Die schwierige Klärung des Falles wird eine Jugendkammer des Landgerichts als Schwurgericht vornehmen müssen, wenn Mackel die Anklage gegen die drei Frauen und zwei Männer erhoben hat. Das Motiv ist auch weiterhin rätselhaft. Nicht ausgeschlossen ist demnach, dass Umut O. deshalb Ziel eines Racheaktes wurde, weil er als Türke ein Verhältnis mit der 17-jährigen Jesidin Zeynab hatte. Das gilt unter dfen Anhängern der sogenannten »Teufels-Religion« als Ehrverletzung.
Möglich erscheint nach den Ermittlungen auch das Motiv, dass Umut O. deswegen büßen musste, weil er eine andere Tochter der Jesiden-Sippe mit einem in Bochum lebenden Türken verkuppelt haben soll. Tatsächlich soll das Quintett am Tag vor der Tat am Obersee nach diesem Mann erfolglos im Ruhrgebiet gesucht haben.
Vor einer Woche hat Amtsrichter Christian Friehoff den Haftbefehl gegen Kurden Safin N. neu gefasst und damit eine möglicherweise weitreichende Entscheidung getroffen: N. sitzt nun wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen Totschlags in Haft. Als Hintergrund der Tat komme eine Absparache wegen des jesidischen Ehrbegriffs in Frage, meinte Friehoff gestern.
Da die Täter das Opfer mit Messer und Gaspistole traktiert hätten, sei zumindest ein bedingter Tötungswille zu erkennen. - Ob Christoph Mackel mit seiner Anklage dieser rechtlichen Einschätzung folgen wird, ist noch zweifelhaft: Nicht ausgeschlossen scheint auch, dass die drei Frauen und zwei Männer der Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt werden.

Artikel vom 20.03.2007