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Ähnlichkeit mit
Bruder bewahrt
Täter vor Haft

Gleiches Aussehen verwirrt Zeugen

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Die extreme Ähnlichkeit mit seinem Bruder hat einen Bielefelder vor einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung bewahrt. Weil Zeugen die beiden nicht auseinanderhalten konnten, musste das Landgericht Detmold den Angeklagten in zweiter Instanz freisprechen.

Das Amtsgericht Lemgo hatte Salim C. (27) Ende vergangenen Jahres wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Der Richter sah es als erwiesen an, dass der Bielefelder auf dem Parkplatz der Bad Salzufler Diskothek »Glashaus« zusammen mit Freunden einen 38-jährigen Bielefelder angegriffen und zusammengeschlagen hatte. Salim C. hatte die Tat bestritten, doch mehrere Zeugen hatten ihn vor dem Amtsgericht zweifelsfrei als Schläger identifiziert.
In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Detmold präsentierte Strafverteidiger Dr. Detlev Binder jetzt überraschend Kasim C., den drei Jahre älteren Bruder des Angeklagten, der diesem zum Verwechseln ähnlich sieht. Binder: »Ich hatte erst jetzt erfahren, dass auch er an jenem Abend in der Diskothek war. Deshalb besteht die Möglichkeit, dass er der Schläger war und sein Bruder zu Unrecht verurteilt worden ist.«
Gleiche Jeans, gleiche Jacke, gleiches Poloshirt, gleicher Oberlippenbart, gleiche Augenfarbe, gleiche Frisur, gleiche Größe -Êdie Prozessbeteiligten waren irritiert, als Kasim und Salim C. im Gerichtssaal erschienen. Weil beide ihr Aussageverweigerungsrecht nutzten, war das Gericht auf die Aussagen von Zeugen angewiesen - und die konnten bei bestem Willen nicht mehr mit Sicherheit behaupten, dass Salim C. der Schläger gewesen war. Zumal die Tat zu nächtlicher Stunde passiert und die Beleuchtung vor der Diskothek schlecht war.
Nach der Beweisaufnahme beantragte deshalb neben dem Verteidiger auch Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink Freispruch für den Angeklagten. »Natürlich ist das sehr unbefriedigend«, sagte Höbrink nach dem Prozess. »Aber es hätte sonst die Gefahr bestanden, dass wir einen Unschuldigen ins Gefängnis schicken.« Es tue ihm leid für das Opfer, das seinerzeit erhebliche Kopfverletzungen davongetragen, aber aus Angst vor dem Schläger und seinen Freunden nicht einmal Anzeige erstattet habe, sagte der Oberstaatsanwalt. Der Fall sei nur bekanntgeworden, weil ein Zeuge in jener Nacht Krankenwagen und Polizei gerufen habe.
»Dass das Opfer wahrscheinlich maßlos enttäuscht ist, dass die beiden Brüder als freie Leute den Gerichtssaal verlassen konnten, kann ich nachvollziehen«, erklärte Höbrink und fügte hinzu: »Wer auch immer von beiden der Schläger gewesen ist - er wird vielleicht ein weiteres Mal die Kontrolle über sich verlieren, und dann sehen wir uns vor Gericht wieder.«

Artikel vom 20.03.2007