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Stanislaw Jerzy Lec

»Von einem
System werden wir uns nicht befreien können: vom
Sonnensystem.«

Leitartikel
»Kyrill«, Donau und mehr

»Global« ist nicht
für alles gut


Von Rolf Dressler
Es geht Schlag auf Schlag. Gestern war schon wieder so ein Alarm-Tag.
In Düsseldorf bezifferte NRW-Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg die Schadensstrecke des Orkans »Kyrill« vom 18. Januar 2007 mit sechs Prozent des hiesigen Waldbestandes. Und fast zeitgleich damit rückten Umweltschutzverbände weiter südlich die Donau ins Blickfeld: Der große europäische Strom gerate zunehmend in einen bedrohlich kritischen Bereich - wohlgemerkt, weil der Mensch ihm immer stärker zusetze. Was leider unzweifelhaft zutrifft.
»Kyrill« und die Donau - mit beiden aber hat es seine ganz eigene Bewandnis. Deshalb, abseits aller modischen Aufgeregtheiten in Wissenschaft, Politik und Medien, ein paar klärende Worte zur Güte.
Zum ersten: Es ist schade um jeden Baum und um ganze Waldbestände gar, die von mächtigen Stürmen oder anderen Gewalten hinweggefegt werden. Doch anstatt den Schreckensvorhersagen der 1980er Jahre zu folgen, wonach Deutschland bereits um die Jahrtausendwende angeblich praktisch waldbaumfrei sein werde, wachsen die Forstbestände in Mitteleuropa seither beständig von einer Rekordmarke zur nächsten. Grund genug, Freude darüber zu empfinden, dass Gemeinschaftsanstrengungen in Sachen Natur- und Umweltbewahrung sichtbar Früchte tragen.
Zum zweiten: Es gibt auch fortan noch reichlich viel zu tun, zu verbessern und, wo nötig, neue Wege einzuschlagen. Denn auch die Donau leidet nicht etwa hauptsächlich unter jenem Klimawandel, der jetzt für alles und jedes Sinnige und Unsinnige herhalten muss, sondern unter dem, was der Mensch dem majestätischen Strom zufügt: Eindeichungen, Uferbegradigungen zugun- sten der Schiffahrt, Eingriffe in die empfindlichen Auenlandschaften, Bebauungen und Bodenversiegelungen selbst noch so enger und schmaler Uferstreifen usw., usw.
Genau diese krassen Sünden nämlich verursachen auch andere folgenschwere Unglücke wie beispielsweise das katastrophale Elbe-Hochwasser im Jahre 2002. Man erinnert sich sofort an die Bilder von damals: der hurtig eingeflogene Bundes- und Medienkanzler Gerhard Schröder wie ein leibhaftiger Deichvogt in zünftiger Sturm- und Regen-Montur inmitten des Geschehens. Vordergründig verheißen solche Inszenierungen natürlich Pluspunkte beim Publikum, und Gerhard Schröder holte damit ja am Ende sogar noch wichtige Prozentpunkte für seine Wiederwahl.
Nur, ob nun Starkstürme, Nordsee-Sturmfluten in Deutschland (die hierzulande seit Ende der 1990er Jahre übrigens beide ab- und nicht zugenommen haben) oder Flussregulierungen etc. - wir sollten auf allen diesen vielschichtigen Feldern der Wahrheit die Ehre geben. Des Menschen (Mit-) Verschulden muss ebenso redlich benannt werden wie die ewigen Unwägbarkeiten der Natur und des örtlichen Wetters.
Denn: Ein »globales« Wetter gibt es genausowenig wie ein »globales« Klima.

Artikel vom 21.03.2007