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Alles auf Zero - und dann aus!

»Spieler«: Ambitioniertes Projekt verliert sich zwischen Banalitäten

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Die Reaktionen waren höchst zwiespältig: Bereits in der Pause hatte ein Teil der Zuschauer offenbar schon genug von der Uraufführung »Spieler« im Stadttheater und sparte sich Teil zwei.

Der Applaus am Ende war verhalten und die Schauspieler schienen vor allem froh zu sein, das Stück mit seinen langen Monologen und kräftezehrenden körperlichen Einsätzen über die Bühne gebracht zu haben. »Spieler« ist ein ambitioniertes Projekt. Regisseur Thomas Dannemann hat darin den Roman »Der Spieler« von Fjodor M. Dostojewskij verarbeitet, seine Briefe, die er aus Wiesbaden an seine Frau schickt und seine Novelle »Bei nassem Schnee«. Den Fokus legt Dannemann auf das »Alles oder Nichts«, auf die Extreme menschlichen Empfindens, auf Liebe und Abscheu, auf Erniedrigung und Hingabe, Schuld und Sühne. Ein quälendes Spiel, bei dem mehr und mehr riskiert wird.
Das Ergebnis ist eher banal.
Die Schicksale jener Menschen auf der Bühne, die dem Geld und dem Glück und der Liebe hinterher jagen, die täuschen und sich selber täuschen, Utopien leben - sie berühren nicht. Mit einer Ausnahme: Wenn D. (Dostojewskij selbst), eindringlich verkörpert von Alexander Swoboda, mit seiner fernen Gattin telefoniert, aus seinen Briefen zitiert. Er findet immer wieder Entschuldigungen, Ausreden, belügt sich selbst, ist unentschlossen - und fordert Geld. Erneut.
Erzählt wird von einer Gruppe von Adeligen, die sich in einem fiktiven Kurort dem Spiel (am Roulettetisch) und in der Liebe hingeben. Nur der Tod der alten Tante könnte sie retten - vor dem Bankrott, dem falschen Mann, ihnen weitere ein, zwei Monate standesgemäßes (Über-)Leben garantieren. Aber das liebe Tantchen denkt nicht daran zu sterben, sondern verspielt selbst alles, was sie hat. . .
Verschenkt sind in »Spieler« die an sich eindrucksvollen Monologe von Keller - »Bei nassem Schnee« und Schauspieler Mathias Reiters Leistung wäre ein Soloabend wert gewesen.
Man schrie sich an, riss sich vorzugsweise die Kleider vom Leib - selbst wenn es nur eines müden Gags zuliebe war (»Einem nackten Mann fasst man nicht in die Tasche«) - schlug und wälzte sich. Schon das Bühnenbild (Uta Kala) signalisierte: progressiv! Kein Umbau, Sperrholz, ein Klo, ein Pissoir, dazu Spieltisch, Promenade aus einer Rolle Kunstrasen, Bad.
Die Darsteller schlugen sich tapfer. Auch buchstäblich. Oliver Baierl spielte Alexej Iwanowitsch, ebenfalls Alter Ego des D., der nichts anderes will, als von Polina (Monika Wegener) geliebt zu werden, Harald Gieche ist der General, der nur noch von der Hoffnung (auf Geld) lebt, Mademoiselle Blanche (Nicole Paul) wird ausgenutzt und nutzt aus, umwieselt von Benjamin Armbruster (Simonow) und Andreas Hilscher (Ferfitschkin), Thomas Wolff ist der Marquis, der sich kauft, was er braucht und Therese Berger ist die Tante, die alles auf Rot setzt, weil Zero nicht kommt. . . Selbst ein Pferd spielt mit. Der freundlich blickende Jappaloup muss die grausame Schimäre (Zero!) sein, der alle hinterher hecheln. Einen Bären gibt es auch - immerhin nur als Kostüm. Symbole wohin man schaut. Zu viel. Rätselhaft.

Artikel vom 19.03.2007