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Die schnellste Auswechslung:
Schluss nach zwei Minuten

Trainer Ernst Middendorp hatte auch vor großen Namen keinen Respekt

Von Werner Jöstingmeyer
Bielefeld (WB). Es gibt keinen Trainer, der Arminias Vereinsgeschichte so geprägt hat wie Ernst Middendorp. Nach 1988 und 1994 übernahm der mittlerweile 48-jährige Fußball-Lehrer jetzt zum dritten Mal die sportliche Regie im Klub der Ostwestfalen. Um kaum einen anderen Coach ranken sich inzwischen derart viele Geschichten wie um »Power-Ernst«.
Kein Respekt vor großen Namen: Middendorp mit Stefan Kuntz, links Josef Ivanovic.
Als Middendorp erstmals am 19. April 1988 in Bielefeld das Kommando übernahm, kam er als sogenannter Nobody. 29 Jahre jung, aber voller Selbstbewusstsein. Der frühere Bielefelder Sportreferent Claus Binz hatte dem Verein seinen ehemaligen Studien-Kollegen schmackhaft gemacht, nachdem zuvor Fritz Fuchs und Nachfolger Joachim Krug Arminias Talfahrt in die Oberliga nicht stoppen konnten.
Die Profis Martin Kollenberg und Detlef Schnier erinnern sich noch haargenau an Middendorps erstes Engagement. »Er hatte weder Respekt vor klangvollen Spielernamen noch vor der eigenen Courage. Wenn Ernst etwas früher gekommen wäre, wären wir nicht abgestiegen.«
Nachdem Middendorp das siebtletzte Zweitligaspiel bei den Stuttgarter Kickers (0:1/Interimstrainer Hans Scholz) noch von der Tribüne aus beobachtet hatte, stand er in der nachfolgenden Partie bei Wattenscheid 09 voll in der Verantwortung. Das Abschlusstraining dauert drei Stunden. Schnier und Kollenberg erinnern sich: »Plötzlich rief einer aus der Mannschaft: Kannst du dem Trainer mal sagen, dass wir morgen ein Pflichtspiel haben.«
In der Mannschaftsbesprechung warnte Middendorp vor Stürmer Harry Kügler. »Der fädelt geschickt ein und schindet im Strafraum einen Elfmeter.« Kaum hatte der Referee angepfiffen, passierte das angesprochene Malheur. Thomas Gerstner foulte Kügler und der Strafstoß war perfekt. Middendorps erste Reaktion: Schon in der 2. Spielminute holte er den ehemaligen Jugend-Nationalspieler vom Platz. Auch DSC-Legende Norbert Eilenfeldt bekam den Middendorp'schen Zorn zu spüren, weil er auf dem tiefen Geläuf des Lorheide-Stadions auf das falsche Schuhwerk (Noppenschuhe) gesetzt hatte.
Schlimmer erwischte es den polnischen Nationalspieler Stefan Majewski. Dem teilte er nach dem Abpfiff mit: »Dich kann ich zukünftig nicht mehr gebrauchen.« Und weil sich Kollege Leo Spielberger beschwerte, durfte er gleich mitgehen. Kollenberg: »Ernst kehrte mit eisernem Besen.« Beide Spieler kamen fortan nicht mehr zum Einsatz.
Ausgemustert wurde 1996 auch Rainer Rauffmann. Der ehemaligen Torjäger lief noch immer um das Trainingsgelände, als die Übungsstunde längst beendet war. Trainer Middendorp hatte ihn schlichtweg vergessen.
Auch vor einem Disput mit Stefan Kuntz schreckte »Power-Ernst« im Abstiegsjahr 1998 nicht zurück. Weil er das Grinsen des Europameisters im Mannschaftbus nach der 0:2-Niederlage beim Hamburger SV nicht ertragen konnte, ließ er das Gefährt auf der Autobahn bei Hannover stoppen und fuhr allein mit einem Taxi nach Bielefeld. Den Fehler räumte er später ein: »Ich hätte Kuntz rausschmeißen sollen.«

Artikel vom 16.03.2007