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Ein Mädchen stellt Fragen

Anne-Frank-Ausstellung gestern im Gymnasium eröffnet

Von Monika Schönfeld
(Text und Foto)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Die Ausstellung wirkt auf den ersten Blick klein. Es sind keine verstaubten Relikte, ausgestellt in Vitrinen, es ist ein interaktiver Lernort. Anne Frank - ein Mädchen aus Deutschland spricht Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen an. Die Ausstellung in der Bibliothek des Gymnasiums ist gestern eröffnet worden.

»Nur wenn Sie sich selber bewegen, passiert etwas.« Das sagt Thomas Heppener, Direktor des Anne-Frank-Zentrums in Berlin, der die Ausstellung eröffnete. Und das meint er durchaus doppeldeutig. Der Ausstellungsbesucher muss sich bewegen, muss aktiv werden. Er kann nachempfinden, warum Anne Frank in ihr Tagebuch von der schlimmen Hitlerrede geschrieben hat, die sie im Radio gehört hat. Das Radio war in den 25 Monaten, in denen sie sich in einem Hinterhaus in Amsterdam versteckt hielt, der einzige Kontakt zur Außenwelt. Diese Rede Hitlers hat das Anne-Frank-Zentrum aus dem deutschen Rundfunkarchiv geholt. Wer den Hörer ans Ohr nimmt, kann sie im Original hören - und verstehen, warum sie Anne Frank als bedrückend empfand. Im übertragenen Sinne regt die Ausstellung an, sich zu bewegen: Nur wer aktiv wird, kann die Gesellschaft gestalten.
In einer Zeit, in der Jugendliche den Abstand zu ihren Eltern suchen, um sich selbst zu finden, war Anne Frank während des Zweiten Weltkrieges mit vielen anderen Menschen im Versteck im Hinterhaus ohne privaten Rückzugsbereich. Das Tagebuch sollte der Ort werden, an den sie sich zurückziehen konnte. »Wer bin ich? Was geschieht mit mir? Was ist mir wichtig?« Diese drei Fragen bewegten Anne Frank wie sie die Jugendlichen und hoffentlich auch Erwachsenen heute im gleichen Maße bewegen. »Welche Werte vertrete ich? In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Wir müssen zuerst darüber reden, was uns verbindet. Wir müssen uns engagieren, dürfen nicht aufgeben, ein Stück Mitmenschlichkeit zu erleben«, sagt Heppener.
Sichtlich bewegte ihn die Musik von Lucia Patricia Saenz am Marimbaphon, Klezmer dargeboten von Stefan Kallmer, Kai Lamberts und Tabea Mewes an Klavier und Klarinette und das »Donaj, Donaj«, gesungen von Annika und Jasmin Joachim mit Knut Peters am Klavier. »Die Musik ist bedrückend, dabei ist mir bei Anne Frank gar nicht nach Trauer. Es ist ein Stück Lebenswelt eines jungen Mädchens.«
Wie aktuell das Thema ist, erläuterte Heppener. Zwei Wochen lang hat er den Gerichtsprozess in Magdeburg verfolgt. Im Juni 2006 hatte eine Gruppe zu einer Sonnenwendfeier das Tagebuch der Anne Frank verbrannt: »Artfremdes wird dem Feuer übergeben.« Staatsanwalt und Richter haben deutlich gemacht, dass es sich um Volksverhetzung und Leugnen des Holocaust handelt - Grenzen des Zulässigen waren überschritten.
Schulleiterin Marion Blome dankte Markus Barlage und seiner Frau Daniela mit einem Tandem-Strauß für ihr Engagement. Ausstellung und Theaterprojekt fallen in die deutschlandweite Woche der Brüderlichkeit, die seit 1952 jedes Jahr im März von den Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit organisiert wird.
Deutsch- und Religionslehrer Markus Barlage erzählte, dass er als Schüler der Klasse 10 bei einem Ausflug nach Amsterdam das Anne-Frank-Haus besucht habe. »Einzelschicksale geben den menschenverachtenden Gräueltaten ein Gesicht.« Das Projekt wolle nicht moralisieren sondern sensibilisieren.

Artikel vom 16.03.2007