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Gruß an Mitja - er wäre nun 10

Mitschüler ließen am Geburtstag ihres Freundes Ballons in den Himmel steigen

Von Denni Klein
Leipzig (dpa). Es wäre Mitjas zehnter Geburtstag gewesen. Doch statt Spiel und Spaß gab es gestern Tränen.
Schwerer Abschied von Mitja: Fleißig hatte der Junge fürs Schulfest geübt. Nächste Woche wollte er ein Stück auf seiner Flöte vorspielen.

Immer wieder wurden die Augen der Kinder, Lehrer und Eltern in Leipzig-Stahmeln feucht, wenn der Name des allseits beliebten Jungen fiel. Auf den Tag vor drei Wochen wurde Mitja missbraucht und ermordet. Zum Gedenken ließen die Grundschüler auf dem Schulhof punkt 10.10 Uhr 150 Luftballons in den Himmel steigen. Mit befreienden Schreien schicken sie ihrem kleinen Freund auf Zetteln an den Ballons Geburtstagsgrüße. Die Endgültigkeit des Todes ist vielen Kindern noch nicht bewusst. Deshalb sollte die Aktion Abschluss mit dem Schicksal und Aufbruch in die Zukunft sein.
Die Kinder versammelten sich mit Eltern, Lehrern und Seelsorgern auf dem Hof und bildeten einen großen Kreis. Ihr Blick richtete sich auf einen kleinen Altar mit Bildern von Mitja und Blumen. Einige Schüler hatten kleine Geschenke mitgebracht. Als die Direktorin Sonja Hottas einige Worte an ihre Schützlinge richtete, wurde es ganz still. Dann machten die Kinder ihrer Anspannung der letzten Wochen Luft. »Alles Gute«, riefen viele den bunten Luftballons auf dem Weg in den Himmel hinterher. An den Schnüren wedelten Zettel mit Bildern und Wünschen für Mitja im Wind.
»Während der Beerdigung von Mitja am Montag haben wir in den Klassen die Wünsche aufgeschrieben. Immer wieder kam die Frage »Warum ist das geschehen«, erzählt Schulleiterin Sonja Hottas später. Nachdem der Tod des Jungen traurige Gewissheit wurde, seien viele Kinder verängstigt gewesen und hätten unter Kopfschmerzen gelitten. »Einige fürchteten sich, allein auf die Toilette zu gehen.« Besonders die Jüngeren verstünden die Tragweite des Geschehenen bis heute nicht. Manche Schulanfänger hätten Krankenwagen gemalt. »Sie haben immer noch die Vorstellung, dass Mitja irgendwann zurückkommt.«
Die Eltern seien der Schule für die Aktionen sehr dankbar, berichtete die Direktorin weiter. »Wir halten zur Familie Kontakt. Ihnen fällt es aber noch sehr schwer, über das schlimme Ereignis zu sprechen.«
Wie die Familie würden auch die Kinder immer wieder aufgewühlt, wenn in den Medien von dem Fall berichtet werde. Wenigstens gebe das Wissen über die sichere Verwahrung des mutmaßlichen Mörders in einem Leipziger Haftkrankenhaus etwas Ruhe. »Aber Kinder verarbeiten eben anders als Erwachsene«, sagt Hottas.
In einer Woche wäre Mitja auf dem Schulfest der jungen Talente aufgetreten. »Er hatte wochenlang auf seiner Flöte geübt«, erzählt die Direktorin mit brüchiger Stimme. Nun sei auch dieses Fest von der Erinnerung beherrscht. »Wir wollen uns alle weiter erinnern«, unterstreicht aber der evangelische Pfarrer Helge Voigt. Wie er, gingen auch viele Eltern mit feuchten Augen vom Schulgelände. »Jetzt wollen wir mit dem schlimmen Ereignis alle gemeinsam abschließen.«

Artikel vom 16.03.2007