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Kontra: Risiken
bleiben zu groß

Mechtild Rothe: »Es geht auch anders«

Die große Mehrheit der Deutschen lehnt die Atomkraft ab. Die Sicherheitsrisiken des Betriebs, die ungelöste Endlagerfrage für nuklearen Abfall, die Gefahren des militärischen und terroristischen Missbrauchs - jedes einzelne Problem ist ungelöst und ein Grund für den Atomausstieg.
Mechtild Rothe (SPD) aus bad Lippspringe ist Vize-Präsidentin des Europaparlamentes.

Der letzte gravierende Störfall in Forsmark/Schweden hat erneut gezeigt, dass auch die angeblich sichersten Kraftwerken, tickende Zeitbomben sind. Atomenergie ist zudem nicht geeignet, für Energieversorgungssicherheit und Klimaschutz zu sorgen. Zum einen sollte nicht dem Risiko einer Klimakatastrophe mit dem Risiko einer nuklearen Katastrophe begegnet werden. Zum anderen wird die Wirkung der Atomenergie bei Klimaschutz und zukünftiger Energieversorgung marginal bleiben.
Da Atomenergie nur Strom produzieren kann, hat sie keinerlei Bedeutung für den Wärme- und Treibstoffbereich.
Atomenergie sorgt trotz jahrzehntelanger massiver finanzieller Förderung lediglich für 2,5 Prozent des weltweiten Endenergieverbrauchs. Eine deutliche Steigerung hätte Neuinstallationen von mehreren tausend Atomkraftwerken weltweit - auch in Regionen, die als instabil gelten -, Investitionen in Billionen-Höhe und ein jähes Ende nach wenigen Jahrzehnten zur Folge. Atomkraft ist von der ndlichen Ressource Uran abhängig.
Selbst ohne Neubau sind die Uranvorkommen in maximal 70 Jahren erschöpft. Auch betriebswirtschaftlich betrachtet ist trotz erheblicher direkter und indirekter Subventionen ein Neubau höchst unattraktiv. Kein Wunder also, dass die Elektrizitätswirtschaft seit fast 20 Jahren in Europa - mit Ausnahme von Frankreich und Finnland (mit stetig steigenden Kosten) - und in den USA seit 1979, kein Atomkraftwerk mehr gebaut hat. Billigen Strom können nur abgeschriebene Atommeiler liefern.
Doch selbst bei einer Verlängerung der Laufzeiten solcher Atommeiler in Deutschland würden die Strompreise für den Verbraucher nicht sinken, denn der Marktpreis für Strom wird sich dadurch nicht verändern. Die anfallenden Gewinne werden bei den Energiekonzernen bleiben. Darüber hinaus käme es zu einer Verzögerung oder sogar Verhinderung von dringend notwendigen Modernisierungsinvestitionen. Wir müssen heute unsere Energieproduktion ändern und Energie effizienter nutzen, um eine umweltfreundliche und importunabhängige Energieversorgung für morgen zu sichern. Elektrizität aus erneuerbaren Energien hat das Potential bis 2023 - dem letzten Ausstiegsjahr - nicht nur den abgeschalteten Atomstrom, sondern auch weitere fossile Energieträger zu ersetzen.
Deutschland hat in den letzten Jahren bewiesen, dass der Anteil erneuerbarer Energien massiv gesteigert werden kann. Davon profitiert nicht nur das Klima, sondern auch eine heimische, innovative, exportierende Industrie, die mehr als 200 000 Arbeitsplätze geschaffen hat. Auch die Kosten der Erneuerbare-Energien-Technologien konnten - im Gegensatz zu anderen Energieformen - durch Effizienzsteigerung und stärkere Marktdurchdringung gesenkt werden, teilweise bis zu 50 Prozent. Nur auf die Technologie kommt es an.
Sonne, Wind, Wasser oder Erdwärme werden keine Rechnungen schicken. Deutschland sollte sich auf dem Weg zur nachhaltigen Energieversorgung nicht durch Atomenergie aufhalten lassen.

Artikel vom 16.03.2007