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Europa ist geworden
und nicht gemacht

Vier globale Megatrends -ĂŠOriginalität ist wichtig

Von Thomas Albertsen
Wenn nicht unvorhersehbare Krisen die Welt erschüttern, wird sich der globale Tourismus innerhalb der kommenden 13 Jahre verdopppeln. 2020 sollen sich jährlich 1,6 Milliarden Menschen auf Reisen begeben.

Reisen ist ein Grundbedürfnis der Menschen, das hat man in den vergangenen Jahren überall dort festgestellt, wo die Politik Liberalisierung zuließ. Die Reisefreiheit steht ganz oben auf der Werteskala einer freien Gesellschaft.
Trend-Analysten haben festgestellt, dass zunehmender Wohlstand auf der Welt das Fernweh weckt, auch wenn politische Risiken durch Krieg und Terror zunehmen. Langfristig gebe es vier mit englischen Begriffen bezeichnete griffige Megatrends: »Sun« (Erholung), »Sex« (Reisen gegen das Alleinsein), »Surgery« (Gesundheits- und Wellnesstourismus) und »Sangria« (Party- und Eventreisen).
Europa hat auf diesem Markt gute Chancen. »Es ist geworden, nicht gemacht«, bringt der Zukunftsforscher David Bosshart vom Gottlieb Duttweiler-Institut die Dinge auf den Punkt. Europa mit seinen Altertümern sei grundsätzlich klar im Vorteil gegenüber künstlichen Urlaubswelten, wie sie in Amerika oder Arabien entstehen. »Ein kleines Hotel inmitten schattenspendender, jahrhundertealter Bäume wird sich immer gegen die von weltweit einheitlichen Shopping-Malls umgebenen Bettenburgen durchsetzen.«
Da Reiseziele aber künftig immer stärker nach spontanen emotionalen Gesichtspunkten ausgesucht werden, sieht Bosshart Länder wie Frankreich und Deutschland in einer guten Position: »Das sind Staaten, in denen Traditionen bewahrt und mit neuem, zeitgemäßem Leben erfüllt werden.«
Die Globalisierung werde das Reisen jedoch immer stärker verändern: Auch die Massenmärkte kämen nicht umhin, ihr Angebot zu differenzieren. Schon jetzt sei die »Nische in der Nische« das Nonplusultra, wenn es um Aufmerksamkeit gehe. Dabei spiele auch das Image eine wichtige Rolle. Dies gelte vor allen Dingen dort, wo es keine Traditionen gebe. »Für viele Menschen sind Geschichten manchmal wichtiger als Geschichte«, betont Bosshart. Aber die Historie habe den unschätzbaren Vorteil, dass sie mit Histörchen aufwarten könne.
Der Tourismus produziere mehr und mehr hybride Märkte. Ein gutes Beispiel dafür seien die großen Airports. Schon heute werde am Frankfurter Rhein-Main-Flughafen mehr Umsatz in den Geschäften und Restaurants generiert als durch den Verkauf von Flugtickets oder Frachtraum.
Umgekehrt gilt auch für die Destinationen: Die gegenseitige Abhängigkeit benachbarter Regionen nimmt mit wachsender Vernetzungsdichte zu. Um in Zukunft Erfolg zu haben, müssen Anbieter verstärkt Kooperationen eingehen. Das Lenken der Tourismusströme, so Bosshart auf dem Zukunfts-Kongress der ITB, sei eine Kernaufgabe der Zukunft.

Artikel vom 16.03.2007