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»Standort Deutschland gestärkt«

Unternehmenssteuer-Reform nimmt erste Hürde - Kabinett stimmt zu

Berlin (dpa). Die viel kritisierte Reform der Unternehmensbesteuerung hat die erste Hürde genommen. Das Bundeskabinett billigte gestern den Gesetzentwurf von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), der eine Senkung der Unternehmenssteuern von heute 38,7 auf 29,8 Prozent enthält.

Der Minister sieht darin eine »Investition in die Stärkung des Steuerstandortes Deutschland«.
Widerstand in den anstehenden parlamentarischen Beratungen kündigten die SPD-Linken an. Sie kritisieren die für 2008 geplanten Steuersenkungen als ungerechtfertigtes »Milliarden-Geschenk« für Unternehmen.
Kritik kam auch von Seiten der FDP sowie der Linksfraktion. Dagegen lobte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) trotz Bedenken das Reformwerk als wichtiges Signal an alle Unternehmen in Deutschland und internationale Investoren.
Nach Einschätzung von Steinbrück ist die geplante Neuregelung »sehr gut ausbalanciert«. Die Reform solle dazu beitragen, dass Gewinne hierzulande versteuert und nicht ins Ausland verlagert werden. Auch soll es nicht mehr möglich sein, Konzernverluste künftig »steuermindernd nach Deutschland zu transferieren«, sagte Steinbrück. Er wolle diese »Verschiebebahnhöfe« beenden. Die Entlastungen aus der Reform seien »keine Unternehmensgeschenke«.
Nach dem Gesetzentwurf soll die Gesamtsteuerlast von Kapitalgesellschaften (AG und GmbH) von heute 38,7 auf 29,8 Prozent gesenkt werden. Von 2009 an ist eine Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge von 25 Prozent geplant. Um die Einnahmeverluste für den Staat auf fünf Milliarden Euro im Jahr zu begrenzen, werden Steuerbegünstigungen abgeschafft und Schlupflöcher geschlossen. Endgültig verabschiedet werden soll das Gesetz vor der Sommerpause.
Nach Einschätzung des Finanzministeriums wird das Aufkommen aus der Unternehmenssteuer nach einem kurzzeitigen Rückgang bereits 2010 mit 64,8 Milliarden Euro deutlich über dem für 2007 veranschlagten Wert von 58,3 Milliarden Euro liegen. Bis 2012 ist eine Steigerung auf knapp 75 Milliarden Euro veranschlagt. Steinbrück wies darauf hin, dass deutsche Firmen nach einer DIW-Studie derzeit 100 Milliarden Euro »legal« am Fiskus vorbeischleusten.
Steinbrück zeigte sich überzeugt, dass der Staat mit der Reform seine finanzielle Handlungsfähigkeit zurückgewinnt, ohne sich sich dabei »ins Koma« zu sparen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe keinerlei Einwände gegen das Reformwerk. Auch Glos stimmte für den Gesetzentwurf, sieht aber die Zusage einer mit der Reform ebenfalls verbundenen Mittelstandskomponente nicht eingehalten. Dem widersprach Steinbrück: Eine »Mittelstandslücke« gebe es nicht.
Der Finanzminister geht davon aus, dass »der Kern« der Reform bei den parlamentarischen Beratungen »nicht angetastet« wird. Allenfalls werde »an einigen Schrauben nachjustiert«. Die Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf alle - auch private - Kapitalerträge verteidigte Steinbrück mit den Worten: »Es ist besser, 25 Prozent auf X zu kriegen statt 42 Prozent auf gar nix.«
»Das Gesamttableau entspricht nicht den Beschlüssen des SPD- Parteirates und des SPD-Parteitages«, sagte dagegen der Parteiratsvorsitzende Claus Möller. Der SPD-Sozialexperte Ottmar Schreiner rechnet mit massivem Sperrfeuer seiner Partei. »Ich gehe davon aus, dass wir im Bundestag eine erhebliche Anzahl von Gegenstimmen haben werden«, sagte er.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält das Projekt für überflüssig und ungerecht. Das Handwerk begrüßte die Reform als »gutes und richtiges Signal«. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lobte vor allem das Ziel, die Steuersätze zu senken. Allerdings dürften die Gegenfinanzierungsmaßnahmen nicht außer Acht gelassen werden, sagte BDI-Chef Jürgen Thumann.

Artikel vom 15.03.2007