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Opfer könnten
noch leben

Richter vollstreckt Haftbefehl nicht

Mönchengladbach (dpa). Der Doppelmord an einer Mutter und ihrer Tochter, die am Freitag in Mönchengladbach erschossen worden waren, hätte verhindert werden können.
Roswitha Müller-Piepenkötter verlangt Aufklärung.
Gestern sind schwere Vorwürfe gegen die Justiz laut geworden. Fast zwei Stunden vor der Bluttat hatte eine Rechtsanwältin die Behörden zur Festnahme des späteren Mörders aufgefordert, der wegen einer Vergewaltigung mit Haftbefehl gesucht wurde. Doch weil nichts geschah, konnte der Niederländer kurz darauf seiner Familie vor deren Wohnung auflauern und seine Frau sowie seine älteste Tochter erschießen.
»Das ist ein Ding, dass die so einen Straftäter laufen lassen«, sagte gestern die Rechtsanwältin Gülsen Celebi. Sie habe nicht damit gerechnet, dass der in den Niederlanden lebende Mann am Freitag zu dem Sorgerechtstermin vor Gericht erscheinen werde. Als er doch aufgekreuzt sei, habe sie sofort den Richter alarmiert und ihm von dem Haftbefehl berichtet. Der Richter habe umgehend telefonisch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. »Wir haben dann gewartet, aber es ist niemand gekommen.« Der Richter habe es aus ihrer Sicht allerdings versäumt, die Justizwachtmeister des Gerichts zur Festnahme des Mannes aufzufordern, als die Polizei ausblieb. Schließlich durfte der Niederländer gehen - und lauerte seinen Opfern auf.
NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) versprach eine lückenlose Aufklärung. Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf beauftragte Krefelder Staatsanwälte mit strafrechtlichen Ermittlungen. Die Ministerin lasse sich laufend über den Stand der Ermittlungen informieren, sagte ein Justizsprecher. »Zwei unschuldige Frauen haben ihr Leben verloren«, sagt der justizpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Sichau. Ein Sprecher des Landgerichts Mönchengladbach erklärte gestern, die Dramatik des späteren Geschehens sei nicht absehbar gewesen.
Der 39-Jährige hatte sich nach der Bluttat gestellt und gestanden. Er sitzt jetzt wegen zweifachen Mordes in Untersuchungshaft. Er sei bereits früher gegen seine Frau und seine Familie gewalttätig geworden, sagte die Anwältin. Mehrfach habe er der Familie auch schon vor deren Wohnung aufgelauert, aber die Polizei habe stets mitgeteilt, nichts gegen ihn unternehmen zu können.
In einer gemeinsamen Mitteilung zeigten sich Staatsanwaltschaft und Landgericht Mönchengladbach bestürzt. Es habe »objektiv die Möglichkeit bestanden, den Tatverdächtigen festzunehmen«. Nun werde geprüft, ob dienst- oder strafrechtliche Maßnahmen gegen Justizangehörige zu ergreifen seien.

Artikel vom 14.03.2007