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Ältester Herzpatient ist 102

Hermann Henke fühlt sich prima mit seinem Schrittmacher


Von Christian Althoff
Kalletal (WB). Er lächelt und freut sich des Lebens: Hermann Henke aus Kalletal-Erder (Kreis Lippe) ist 102 Jahre alt - und seit Montag der älteste Patient, der bislang im NRW-Herzzentrum Bad Oeynhausen operiert worden ist. »Ich fühle mich prima!«, strahlte der rüstige Senior, als er gestern nach Hause entlassen wurde - mit einem Herzschrittmacher in der Brust.
Sein Leben lang ist Hermann Henke nie richtig krank gewesen. »Er hat viel gearbeitet, und das hat ihn fit gehalten«, schmunzelt Prof. Reiner Körfer, der Direktor des NRW-Herzzentrums. Doch in den letzten Jahren hatten Schwindelattacken dem früheren Ausbildungsleiter des Bad Oeynhausener Kompressorenherstellers »Irmer & Elze« schwer zu schaffen gemacht. Schwindelanfälle, die auf schwere Herzrhythmusstörungen zurückzuführen waren.
Von seinem Hausarzt hatte Hermann Henke Medikamente bekommen, die seinen Herzschlag stabilisieren sollten, doch die Nebenwirkungen ließen das Leben zur Qual werden: Der hochbetagte Mann litt unter schweren Magenschmerzen und musste sich immer wieder übergeben. Das erzählte ein in Oeynhausen lebender Enkel des Seniors seinem Nachbarn Frank-Holger Güldner, der als Assistenzarzt im Herzzentrum arbeitet und dem 102-Jährigen zu einem Schrittmacher riet.
»Auf die belastenden Arzneimittel kann Herr Henke nun zum Glück verzichten«, sagt Oberarzt Dr. Bert Hansky (50), der dem 102-Jährigen am Montag den Herzschrittmacher eingesetzt hatte. Der Chirurg hatte vier Zentimeter breit in die örtlich betäubte Brust des Seniors geschnitten und den nicht einmal streichholzschachtelgroßen Herzschrittmacher eingeführt. Dann plazierte er unter Röntgendurchleuchtung die Elektroden des sogenannten Zweikammer-Schrittmachers am Herzen und nähte den Schnitt wieder zu. »Nach 30 Minuten war alles erledigt«, sagt der Mediziner, der pro Jahr bis zu 800 Menschen mit Schrittmachern und Defibrillatoren hilft. »Unser jüngster Patient war gerade einmal sechs Monate alt«, erzählt Dr. Hansky.
In der Brust von Hermann Henke überwacht das 3500 Euro teure Gerät nun den Herzschlag und schickt im Bedarfsfall stimulierende Stromimpulse von 3 Volt in Vorhof und Herzkammer.
»Einen Herzschrittmacher kann jeder Patient bekommen. Das Alter spielt wegen des vergleichsweise kleinen Eingriffs keine Rolle«, erklärt Prof. Reiner Körfer. Mit dem Gerät habe Hermann Henke ein großes Stück Lebensqualität zurückgewonnen: »Der Mann ist geistig noch voll auf der Höhe und hat den Körper eines 80-Jährigen. So jung kann er sich dank des Herzschrittmachers jetzt auch wieder fühlen.« Trotz seiner 102 Jahre lebt Hermann Henke noch in seinem eigenen Haushalt, erfährt aber Hilfe von seinen Verwandten.
Als Henke 1904 geboren wurde, existierte der Herzschrittmacher nicht einmal in den Träumen der Chirurgen. Erst 1958 setzten Ärzte in Stockholm zum ersten mal einem Menschen einen Schrittmacher ein. Der Patient hatte zuvor 20 Herzstillstände pro Tag erlitten und wurde mit dem Gerät gerettet. Der Herzschrittmacher war von Siemens entwickelte und von Ärzten an Hunden ausprobiert worden.
Heute werden in Deutschland etwa 70 000 Patienten pro Jahr mit Herzschrittmachern versorgt. Diese Menschen sind in bester Gesellschaft: Auch Pop-Star Elton John und »Alt-James Bond« Roger Moore leben mit der Technik in der Brust.
»Die Geräte sind wartungsfrei«, sagt Prof. Körfer und schmunzelt: »In sieben Jahren erwarten wir Herrn Henke wieder bei uns - zum Batteriewechsel.«

Artikel vom 14.03.2007