12.04.2007
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zerrt würde.«
Baker machte sich Notizen.
»Und weiter?«, fragte er.
»Er fragte, ob er mit Frederic Quentin spreche«, fuhr Frederic fort, »und als ich dies bejahte, sagte er wörtlich: Ich habe Ihre Tochter. Es geht ihr gut. Für hunderttausend Pfund können Sie sie wiederhaben.«
»Ich muss noch einmal fragen«, unterbrach Baker. »Sie konnten diese Stimme absolut niemandem zuordnen? Sie hatten zu keinem Zeitpunkt den Anflug einer Idee?«
»Nicht im Geringsten, nein. Die Stimme war so grotesk verzerrt, dass ich ohnehin Mühe hatte, den Inhalt des Gesagten zu verstehen.«
»Aber dass es sich um einen Mann handelte, da waren Sie sicher?«
Frederic hatte plötzlich gezögert. »Es war eine Männerstimme. Aber die kann natürlich auch technisch hergestellt worden sein. So gesehen, muss ich Ihre Frage verneinen, Superintendent. Ich bin nicht sicher, dass es sich um einen Mann handelte.«
»Verstehe. Wie ging das Gespräch weiter?«
»Ich fragte ihn, wer er sei. Er antwortete, das tue nichts zur Sache. Beschaffen Sie das Geld, sagte er, ich melde mich wieder. Dann legte er auf.«
Virginia stützte den Kopf in die Hände.
»Aber Sie können nicht ausschließen, dass Kim tatsächlich entführt wurde«, sagte Virginia.
»Ausschließen können wir gar nichts im Moment«, erwiderte Baker.
»Wir stehen nicht im Telefonbuch«, sagte Frederic, »und unser Eintrag ist auch bei der Auskunft gesperrt. Woher hat dieser Typ unsere Nummer?«
»Von Kim!«, rief Virginia. Sie war erstaunt, wie schrill ihre Stimme klang. »Von Kim! Weil sie eben doch entführt worden ist!«
Baker, der ihr gegenüber auf dem Sofa saß, neigte sich ein Stück vor. »Mrs. Quentin, ich weiß, das ist leicht gesagt, aber verlieren Sie jetzt nicht die Nerven. Vielleicht ist Ihre Tochter wirklich entführt worden. Aber das würde zumindest bedeuten, dass sie nicht jenem Triebtäter in die Hände gefallen ist, nach dem wir mit Hochdruck fahnden. Denn dem geht es gewiss nicht um Geld.«
»Es ist ein Albtraum«, sagte Virginia leise, »es ist ein Albtraum.«
»Alles ist möglich«, sagte Baker, »es kann sich bei dem Anrufer sogar um einen Klassenkameraden Ihrer Tochter handeln. Oder um den großen Bruder oder die große Schwester eines Klassenkameraden. Da ist Ihre Nummer bestimmt bekannt, und am Ende haben sich ein paar Teenager einen schrecklichen und grausamen Scherz erlaubt.«
»Was tun Sie als Nächstes, Superintendent?«, fragte Frederic.
Baker ignorierte die Frage, schaute erneut Virginia an. »Wo waren Sie heute Mittag, Mrs. Quentin? Ihr Mann sagte vorhin, Sie seien kurz nach dem Anruf nach Hause gekommen?«
S
Sie sprach nicht weiter.
»Ja?«, fragte Baker. »Welches Gefühl hatten Sie?«
»Als ob sie nach mir ruft. Ich konnte das ganz deutlich hören.« Sie atmete tief. »Meine Tochter lebt, Superintendent«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich bin ganz sicher, dass sie lebt.«
»Davon gehen wir selbstverständlich ebenfalls aus«, stimmte ihr Baker zu, doch sie fragte sich, ob er tatsächlich so überzeugt war, wie er sich den Anschein gab.
Nach einem Augenblick, in dem sie alle schwiegen, fragte Frederic unvermittelt: »Wollten Sie nicht auch mit Nathan Moor sprechen, Superintendent?«
B
»Natürlich. Aber was wollen Sie damit sagen?«
»Gar nichts«, meinte Baker, »es war lediglich eine Feststellung.«
»Wann werden Sie denn mit Moor sprechen?«, drängte Frederic.
»So bald wie möglich, Mr. Quentin, das kann ich Ihnen versichern. Ich hätte es bereits getan, es kam dann jedoch etwas dazwischenÉ«
Frederic sah ihn fragend an.
»Heute Mittag war ein achtjähriges Mädchen zusammen mit seiner Mutter bei mir«, erzählte Baker. »Die Kleine ist vor knapp zwei Wochen von einem Mann angesprochen worden, der - getreu dem Muster, das wir inzwischen zu kennen glauben - als Erfüller ihrer größten Wünsche aufgetreten ist. Es ist einem Zufall zu verdanken, dass sie bislang nicht in sein Auto gestiegen ist, und es ist ebenfalls ein Zufall, dass das Kind sich schließlich seiner Mutter anvertraut hat. Wegen des Gesprächs mit dem Mädchen musste ich die Befragung Mr. Moors verschieben.«
»Dann gibt es jetzt eine Beschreibung des Täters?«, fragte Frederic.
Baker wiegte bedauernd den Kopf. »Leider ist die nicht allzu präzise. Als ich vorhin fortging, wurde gerade versucht, eine Phantomzeichnung anzufertigen, aber das Mädchen ist so aufgeregt, und es ist ja auch schon etwas Zeit vergangen, seitdem es den Mann gesehen hat - die Angaben erscheinen mir ziemlich widersprüchlich und ungenau. Aber immerhin haben wir einen allerersten Ansatzpunkt.«
»Mit unserem Fall hat das jedoch nichts zu tun«, sagte Virginia.
»Ich vermute - nein«, sagte Baker.
»Was tun Sie als Nächstes? Was sollen wir tun?«, fragte Frederic, als Baker seinen Notizblock einsteckte und Anstalten machte, sich zu erheben.
»Ich spreche mit Moor, ich spreche mit den Lehrern und mit den Klassenkameraden«, sagte Baker, »und wir lassen die Suchmannschaften weitersuchen. Sie selbst können im Moment leider gar nicht viel machen - nur die Nerven bewahren. Und es sollte immer jemand daheim sein, falls sich der Anrufer wieder meldet. Wenn das geschieht, informieren Sie mich bitte sofort.«
»Selbstverständlich«, sagte Frederic. Er begleitete Baker und die anderen Beamten zur Tür. Virginia blieb in ihrem Stuhl sitzen, sie konnte noch immer nicht aufstehen.
A
»Ich gehe nach oben«, sagte er, »ich möchte von dort mit der Bank telefonieren.«
»WegenÉ«
»Wegen der hunderttausend Pfund. Man soll sie dort bereitstellen. Ich will das Geld hier haben. Ich will sofort bezahlen können, wenn der Erpresser sich wieder meldet.«
»Und wenn er sich nicht mehr meldet?«
»Dann hat Baker Recht, und es gibt ihn womöglich gar nicht. Dann ist Kim nicht entführt worden, sondernÉ«
»Ésondern hat sich verlaufen«, beendete Virginia hastig den Satz.
»Sie wird wieder bei uns sein«, sagte Frederic und verließ das Zimmer.
Bei uns, hatte er gesagt, aber das uns war ein leerer Begriff, und vermutlich wusste er das auch. Es gab kein uns mehr.
Virginia stützte den Kopf in die Hände. Sie wollte weinen, aber sie hatte all ihre Tränen am Mittag in dem kleinen Park neben der Schule geweint.
Nun war sie vollkommen leer.
7
Nathan Moor hob bedauernd die Schultern. »Nein. Tut mir leid. Es war jemand, der neben mir parkte, zu seinem Wagen zurückkam und merkte, wie ich vergeblich versuchte, mein Auto anzulassen. Er bot an, mir mit seinem Starterkabel zu helfen, und das tat er dann auch. Namen und Adressen haben wir nicht ausgetauscht.«
»Das ist schade«, meinte Baker.
»Ich ahnte nicht, dass ich ein Alibi brauchen würde«, sagte Nathan.
Baker schüttelte den Kopf. »Sie brauchen kein Alibi, Mr. Moor. Aber alles, was die Aussage einer Person untermauern oder gar belegen kann, ist von Nutzen.«
Sie saßen in dem kleinen Frühstücksraum der Pension, in der Nathan wohnte. Drei Holztische mit jeweils vier Stühlen, Kakteen an den Fenstern, weiße Gardinen. Ein Ölgemälde an der Wand, das ein untergehendes Schiff in stürmischer See zeigte.
Wie passend, dachte Baker.
Artikel vom 12.04.2007