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China will weniger exekutieren

Jährlich vermutlich 8000 Hinrichtungen - Peking überprüft Provinzurteile

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). China will weniger Hinrichtungen, zumindest in der Öffentlichkeit, aber nicht die Abschaffung der Todesstrafe. Das wurde gestern in Peking nach der Jahrestagung des Volkskongresses bekannt.

In einer gemeinsamen Anweisung des Obersten Gerichtshofs, der Anklagebehörde sowie der Ministerien für öffentliche Sicherheit und Justiz heißt es: »Wir können die Todesstrafe heute in unserem Land nicht abschaffen, aber wir sollten die Vollstreckung der Todesstrafe schrittweise reduzieren. Wann immer die Möglichkeit besteht, dass jemand nicht hingerichtet werden muss, sollte diese Person keinesfalls getötet werden.«
Die ungewohnte Töne anschlagende Anordnung an Justiz und Polizei verbietet das Erzwingen von Geständnissen durch Folter oder andere illegale Verhörmethoden, Hinrichtungen ohne Prozess und das öffentliche Vorführen und Demütigen von Verurteilten. Damit ist allerdings noch nicht klar, ob die Schau-Exekutionen in Stadien von zugleich Dutzenden Delinquenten damit der Vergangenheit angehören.
Die genaue Zahl der Todesurteile pro Jahr ist Staatsgeheimnis. Angaben über Prozesse wegen politischer Vergehen und den Handel mit Organen der Delinquenten sind absolut tabu. Amnesty International registriert aufgrund von Zeitungsmeldungen 1000 bis 2000 Hinrichtungen durch Genickschuss oder Giftinjektion. In allen anderen Ländern der Welt, die die Todesstrafe vollstrecken, liegt die Gesamtzahl der Exekutionen unter 2000. Chinesische Anwälte gehen von 8000 Fällen pro Jahr aus, andere Quellen nennen 12 000.
Die Todesstrafe wird in China nicht nur nach Gewaltverbrechen, sondern bei 68 unterschiedlichen Vergehen verhängt. Die Hälfte aller bekannten Urteile betreffen Korruption, Wirtschafts- oder Eigentumsdelikte. Bei Bestechung muss die Höchststrafe von einem Betrag im Gegenwert von 50 000 Euro verhängt werden. Human Rights Watch hat allerdings beobachtetet, dass die Strafe erst ausgeführt wird, wenn es um mindestens 200 000 Euro Vorteilsnahme geht.
Seit Januar müssen sämtliche Todesurteile vom Obersten Gerichtshof Chinas überprüft werden. Dadurch sollen Fehlurteile verhindert werden. Seit 1980 durften Provinzgerichte in erster und zweiter Instanz die Höchststrafe verhängen und bestätigen. Jetzt hat jeder Delinquent das Recht, dass sein Fall in Peking verhandelt oder überprüft wird. Chinesische Rechtsexperten erwarten allein durch diese Reform einen Rückgang der Hinrichtungen um möglicherweise bis zu 20 Prozent.
Ende 2006 kam es noch einmal zu einem besonderen Höhepunkt bei den Exekutionen. Nach Informationen der Tageszeitung »Die Welt« räumten zahlreiche Provinzgerichte noch »Altfälle« vom Richtertisch. Leitartikel

Artikel vom 13.03.2007