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Statt vieler Kurztrips lieber
eine längere Tour pro Jahr
Klima-Diskussion bei der ITB: »Skihallen weg, keine Flüge mehr nach Sylt«
Beliebte Urlaubsparadiese wie die Malediven im Indischen Ozean, Sylt in der Nordsee und Tuvalu im Pazifik müssen sich langfristig darauf einstellen, dass sie dem Klimawandel auf der Erde zum Opfer fallen.Dr. Manfred Stock vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung zeichnete auf der Internationalen Tourisnmusbörse in Berlin ein düsteres Szenario: »Nicht nur als Feriendestinationen haben sie keine Zukunft - ihre Bewohner müssen sich auch nach einer neuen Heimat umsehen.« Die Welt stehe vor der Alternative: Setze beim Klimaschutz radikales Umdenken ein, komme die Erde mit einer Erwärmung um etwa zwei Grad davon, ansonsten seien es sechs Grad. Das globale Umdenken dürfe sich allerdings nicht nur auf den Tourismus beschränken.
In der Diskussion um die Belastung des weltweiten Klimas durch die Luftfahrt hält Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) nur internationale Lösungen für machbar. Die positiven Beschäftigungseffekte des Luftverkehrssektors dürften nicht aufs Spiel gesetzt werden, forderte er auf der ITB. Lösungen müssten Wettbewerbsverzerrungen vermeiden und sollten deshalb international praktikabel sein. Die Flugemissionen hätten in Deutschland zuletzt am Gesamtausstoß einen Anteil von etwas mehr als zwei Prozent, weltweit von 1,5 Prozent. »Angesichts dieser Zahlen halte ich die augenblickliche Hysterie zu diesem Thema für überzogen«, sagte Glos. Allerdings sei auch er dafür, dass der Flugverkehr seinen Beitrag zum Klimaschutz leiste. Der EU-Vorschlag, den Flugverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen, »wäre eine Möglichkeit, die Umweltkosten auf den Ticketpreis aufzuschlagen. Stock rechnete auf der ITB vor, dass die Kosten für einen nachhaltigen Wandel in der Klimapolitik bei unter einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen. Für die Reisebranche sollte dies also kein allzu gravierendes Problem darstellen. David Viner von der Universität im britischen Norwich ergänzt: »Ein Schritt in die richtige Richtung wäre es, lieber im Jahr eine zeitlich längere statt mehrere kürzere Reisen zu unternehmen.« Bedrohlich sei die Perspektive, dass sich der Luftverkehr in den kommenden 15 Jahren in etwa verdoppeln werde.
Stephan Bakan vom Hamburger Max-Planck-Institut fordert konkrete Maßnahmen: »Zunächst müssen die ungesunden Auswüchse begrenzt werden. Skihallen zum Beispiel sind keine Alternativen zu immer schlechteren Wintersportbedingungen in den Alpen, sondern verstärken diesen Trend nur noch. Langfristig haben die Alpen als Winterziel aber ohnehin ausgedient. Bestenfalls im Norden von Skandinavien kann man auch in 100 Jahren noch sichere Schneeverhältnisse voraussagen.«
Die düsteren Szenarien bringen aber auch ungewollt positive Effekte, zum Beispiel für Deutschland: Trockene wärmere Sommer könnten dazu führen, dass der Badeurlaub an der Küste zur »sicheren Sache« werde - dann brauche niemand mehr wegen eines schönen Strandes ans Mittelmeer oder gar in die Karibik zu fliegen.
Für Staaten wie die Malediven bedeutet die aktuelle Situation allerdings, dass ihnen nur die Wahl zwischen zwei schlechten Alternativen bleibt: Verzichten die Menschen kurzfristig auf Fernreisen, dann droht diesem Land der wirtschaftliche Kollaps, bevor es untergeht. Auch der Generalsekretär der Welt-Tourismus-Organisation, Francesco Frangialli, legte in seiner Rede auf der ITB Wert auf die Feststellung, dass in zahlreichen Entwicklungsländern es gerade der Tourismus sei, der Menschen eine Existenz und damit die Hoffnung auf ein besseres Leben biete.
Gleichwohl gibt es durchaus Möglichkeiten, hierzulande mit dem Sparen der CO2-Emissionen zu beginnen. So flogen beispielsweise 2006 etwa 110 000 Sylt-Urlauber mit dem Flugzeug auf die norddeutsche Ferieninsel, die über eine ausgezeichnete Bahn-Anbindung verfügt. Jutta Vielberg vom Sylt-Marketing: »Wir diskutieren dieses Thema auf der Insel sehr intensiv, denn jeder Sturm nagt an der Substanz unserer Strände und Kliffs. Aber die Gäste interessiert das weniger. Im Grunde genommen kann einem doch niemand eine fundierte Antwort geben, was wirklich in 100 Jahren sein wird.« Aber - beim Klimaforum der ITB war Sylt nicht vertreten...
Thomas Albertsen

Artikel vom 17.03.2007