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Vom lustlosen Gustav
und panischen Hennen

Nach Knall: Strauß und Hühner beschäftigen zwei Gerichte

Bautzen/Osnabrück (dpa). Ein liebesmüder Strauß namens Gustav aus Ostsachsen wird zum Problemfall für die Justiz. Und eine Hühnerschar aus dem Osnabrücker Land beschäftigt gleichfalls schon ein Jahr hauptamtliche Richter.

In beiden Fällen hatten die gefiederten Freunde nach einem Schockerlebnis die Leistung verweigert. Die Besitzer der Laufvögel kämpfen nun, jeder für sich, um Schadensersatz. Einigung ist hier wie dort nicht in Sicht.
In dem Zivilprozess vor dem Bautzener Landgericht wird drei Jugendlichen vorgeworfen, den Strauß mit Böllern beworfen zu haben. Nach Darstellung des Klägers fiel der Straußenhahn daraufhin in Depression und Apathie, weshalb er nicht für Nachwuchs sorgte. Einer gütlichen Lösung, wie vom Gericht vorgeschlagen, stimmte der 32 Jahre alte Besitzer nicht zu. Danach sollten die Beschuldigten die Tierarztkosten von 140 Euro zahlen. Außerdem sollten sie jeweils 40 Stunden auf der Straußenfarm arbeiten. »Das würde Gustav zugute kommen«, sagte Richter Thomas Fresemann.
Die Jugendlichen im Alter von 17 und 18 Jahren räumten in der Verhandlung ein, dass sie am 27. Dezember 2005 Dachpappenteile und kleine Steine auf das Straußengelände warfen - nicht aber Knaller. Wie auch immer: Gustav soll ein halbes Jahr kein Interesse an den beiden Hennen Anna und Martha gezeigt haben. Dadurch seien ihm 14 Jungtiere im Wert von jeweils 350 Euro entgangen, argumentierte der Besitzer der Straußenfarm aus der Ortschaft Lohsa. Jeder der Beschuldigten sollte daher mindestens 100 Stunden bei ihm arbeiten. Die jungen Männer lehnten das aber als zuviel des Guten ab.
Richter Fresemann will nun einen Sachverständigen suchen, der den Seelenzustand von Straußen beurteilen kann. »Wir haben es mit psychischen Erkrankungen eines Vogels zu tun«, sagte er. Im Gegensatz zu Menschen ließen sich Strauße dazu jedoch nicht »befragen«. Es sei schwierig, die möglichen Folgen der Störung im Nachhinein aufzuklären. Der Richter gab auch zu bedenken, ob sich die Tiere zum Zeitpunkt der umstrittenen Attacke möglicherweise noch in der Eingewöhnungsphase befanden: Erst sieben Tage zuvor hatte der Farmbesitzer das Straußen-Trio angeschafft.
Am Osnabrücker Landgericht will unterdessen ein Bauer aus Nordhorn einen großen Heißluftballon beziehungsweise dessen Besatzung dafür verantwortlich machen, dass seine Hühner keine Eier mehr legen wollten. Das Knallen und Fauchen des Gasbrenners sowie der Schatten des Ballons habe seine 20 000 Hennen im September 2004 mental komplett aus der Bahn geworfen, als der Ballon dicht über die Stallungen hinwegfuhr. Nach Angaben des Landwirts war die Eierproduktion zehn Tage nach dem Schockerlebnis eingebrochen. 26 000 Euro will er dafür erstattet bekommen.
Ein Gutachter, Tiermedizin-Professor in Hannover, bestritt gestern vor Gericht zum Ärger des Bauern jedoch einen Zusammenhang zwischen Ballon und Eierstreik. Wenn der Ballon Ursache für die geringere Legeleistung gewesen wäre, hätte der Einbruch kurz nach der - unbestritten aufgetretenen - Panikreaktion einsetzen müssen, sagte der Wissenschaftler. Das Urteil in diesem Fall soll am 4. Mai gesprochen werden.

Artikel vom 13.03.2007