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Ewige Ruhe unter Bäumen
Sogenannte Friedwälder werden in Deutschland immer beliebter
Hermann-Josef Rapp spaziert durch den Reinhardswald bei Kassel. Der frühere Förster, der in Westfalen geboren wurde, hat in Nordhessen seine Heimat gefunden. Und hier wird er bleiben - über den Tod hinaus.
Im Reinhardswald steht seit fünf Jahren Deutschlands erster Friedwald. Hier können sich Menschen zu Füßen der Bäume beisetzen lassen. Rapp hat seinen schon ausgesucht, eine Eiche.
Wer über die neue Art der Beisetzung nachdenkt, kann zunächst eine Führung durch den Wald machen. Zum Teil stehen die Bäume in Reih und Glied, doch meistens zeigt sich der Reinhardswald als gesunder Mischwald. »1764, gleich nach dem Siebenjährigen Krieg, wurden hier Bäume gepflanzt, weil es hier kaum Wald gab«, erzählt Hermann-Josef Rapp. Man mag es nicht glauben - mitten in Hessens größtem Waldgebiet.
Wer tatsächlich hier liegen möchte, kann zusammen mit Förster Björn Feuerstack einen der 10 000 Bäume auszusuchen. Das geht bei fünf-, sechsjährigen Birken los und endet bei stattlichen Eichen oder Buchen. Ein Familienbaum, unter dem zehn Urnen beigesetzt werden können, kostet 3350 Euro. Für eine Einzelbestattung werden 770 Euro berechnet, unter einem besonders schönen Prachtbaum sind es 1200. Die eigentliche Bestattung kostet dann noch einmal knapp 200 Euro. Kein Grabstein, kein Kreuz erinnert mehr an die Toten. Nur ein kleines Blechschild - darauf der Name oder auch nur ein Psalm.
Fünf Jahre gibt es jetzt den ersten Friedwald Deutschlands und inzwischen schon 14 weitere, einer davon auch in Kalletal. Fünf neue sollen im nächsten Jahr dazukommen. Es gab schon 3500 Beisetzungen in deutschen Friedwäldern, 1500 davon allein im Reinhardswald. Und trotzdem reißt die Diskussion nicht ab und gibt es nach wie vor Vorbehalte.
Die Beisetzung im Friedwald eine heidnische Zeremonie? Es gibt durchaus Geistliche, die davor warnen. Zu weit abseits der üblichen Bestattung scheint das fast anonyme Vergraben einer Urne im Wald. Dabei geht es den Kritikern durchaus nicht nur um die Verteidigung der reinen Lehre. Ein Stein mit Namen, ein Kreuz mit Inschrift oder ein Grab, dessen Blumen man pflegen kann, sei eine stärkere Erinnerung als ein Baum mit einem Metallplättchen.
Auch die deutschen Bestatter heben mahnend den Zeigefinger. Sie kommen mit einem überraschenden Argument: den Kosten für die anderen. »Bestattung etwa in Begräbniswäldern werden zu einer geringeren Auslastung von kommunalen und kirchlichen Friedhöfen führen, ohne dass deren Kosten gesenkt werden. Die Folge sind höhere Kosten für die verbleibenden Nutzer«, heißt es in einer Erklärung des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. Sterben die einen »Nutzer« auf Kosten der anderen?
»Wir empfehlen jedem, gut über die Entscheidung nachzudenken«, sagt Corinna Brod von der Friedwald GmbH. Die Firma aus Griesheim bei Darmstadt hat mit dem aus der Schweiz stammenden Konzept in Deutschland angefangen, mittlerweile gibt es Konkurrenz. »Man sollte gut darüber nachdenken, weil die Entscheidung endgültig ist und viele Menschen doch an einem konventionellen Friedhof hängen.« Der liegt in der Regel mitten in der Stadt oder im Dorf, der Friedwald hingegen eher etwas außerhalb. Und Grabsteine oder Blumen sind sogar verboten. Manche der Trauernden haben einen Sandstein aus der Umgebung dahin gelegt, wo 80 Zentimeter darunter die Asche des geliebten Menschen liegt. Darauf Blumen, schon etwas angewelkt. Die Blumen wird der Förster entfernen, die Steine werden akzeptiert. Sie stammen schließlich von hier.
Für die Hinterbliebenen ist ein Friedwald sehr komfortabel. Eine Grabpflege entfällt, alle Kosten sind bis zum Jahr 2100 abgegolten. Im Gegensatz zur Luft- oder Seebestattung oder zur anonymen Beisetzung gibt es aber doch einen Ort, zu dem man zurückkommen kann. Zu dem man vielleicht selbst irgendwann zurückkehren wird. Chris Melzer

Artikel vom 17.03.2007