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Branche am Scheideweg:
Hotels suchen neue Märkte
Kampf der Blogger gegen die Sterne - Designertrends ändern sich globalEr hat trendige Hotels entworfen, die Maßstäbe gesetzt haben - doch jetzt predigt Stardesigner Matteo Thun die Abkehr vom Designerhotel. »Zurück zur Natur« ist für ihn die neue Devise.
Dies ist jedoch nur einer der gravierenden Umbrüche der internationalen Hotellerie. Wie selten zuvor auf einer Internationalen Tourismusbörse steht die Branche an einem Scheideweg und weiß nicht, wohin der Weg geht. Der Erwartung, dass das Reisevolumen sich weltweit binnen 13 Jahren verdoppeln könnte, beschert rosige Aussichten. Zugleich könnten sich aber die umweltpolitischen Rahmenbedingungen plötzlich so verändern, dass Reisen stark eingeschränkt werden müssen.
Inge Struckmeier, Geschäftsführerin des Marketingverbundes der Romantik-Hotels, brachte es im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT auf den Punkt: »Die Aussage ÝSylt statt SeychellenÜ hören wir natürlich gerne, ein bewusster Verzicht auf Flugreisen würde unseren Gastgebern sicherlich mehr Umsatz bringen. Das ist jedoch kein Ansatz, über den wir uns wirklich freuen können. Denn wenn plötzlich Sonntagsfahrverbote ausgesprochen würden, so hätte das auch gravierende Einbußen zur Folge.«
Die aktuelle Klimadebatte holt die Hoteliers auch auf einer ganz anderen Ebene ein. Wenn mit den alpinen Gletschern die Attraktivität der Berge dahinschmilzt, der Strandurlaub für Erholungssuchende also mehr Bedeutung gewinnt: Müssen dann die mediterranen Bettenburgen umdenken? Denn oft sind sie austauschbar - ob in Griechenland, Italien oder Spanien.
Konkurrenz erwächst ihnen künftig auch von asiatischen Ketten, die verstärkt den europäischen Markt im Visier haben. Sie handeln zwar noch nicht nach der Devise: »Wenn die Europäer nicht mehr nach Asien fliegen, kommt asiatische Gastfreundschaft halt nach Europa« - aber dieses Motiv tickt durchaus im Hinterkopf.
Diese globale Veränderung wirkt bis nach Deutschland, denn die klassischen Mittelmeermarken werden versuchen, sich auch in Deutschland zu etablieren. Die Robinson-Clubs haben am Fleesensee vorgemacht, wie das geht - und nun steht Iberotel in den Startlöchern und will in Mecklenburg-Vorpommern Fuß fassen. In Boltenhagen entsteht derzeit ein Ostsee-Resort.
Die spanische Sol-Melia-Kette ist bereits mit Berghotels am Markt. Und auch den Mittelmeer-Anrainer Samir Sawiris aus Ägypten zieht es in die Alpen: Er plant im schweizerischen Andermatt ein riesiges Golf-Resort und verändert damit die Infrastruktur des Ortes grundlegend.
Da fragt sich: Welche Perspektive bleibt für die Alpen? Droht nach dem Liftmastenwald nun auch noch die Bettenburg? Matteo Thun sieht Projekte wie das Meraner »Vigilius« oder das »Intercontinental« Davos als Vorzeigeobjekte, die verkrustete Architekturstrukturen aufbrechen.
Generell wird von den Hoteliers heute immer mehr Leistung verlangt. »Viele Vier-Sterne-Häuser rüsten auf und machen den Fünf-Sterne-Herbergen richtig Konkurrenz. Die neue Generation der Hoteliers hat erkannt, was die Gäste wirklich wünschen«, sagt Marketing-Expertin Carmen Stromberger. Doch die Sterne sind im internationalen Maßstab nur bedingt aussagekräftig. So besagt zum Beispiel ein Gesetz in Belgien aus dem Jahr 1958, dass in einem VierSterne-Haus nur 80 Prozent aller Zimmer über ein eigenes Bad verfügen müssen. In Frankreich sind Hotelsterne zugleich ein fiskalisches Instrument zur Festlegung der Steuern, so dass sich die Häuser in der Regel viel zu niedrig einordnen.
Dies ist einer der Gründe, warum sich auch Internet-basierte Bewertungsportale immer größerer Beliebtheit erfreuen. Welf Ebeling, Chef der »Leading Hotels of the World«, sieht darin allerdings nur ein Emotionsbarometer ohne objektiven Aussagewert.
Dr. Axel Jockwer, Marketing-Chef des Portals »Holiday Check« sagte dazu, man stelle keine Beurteilung ungeprüft ins Netz. Auffälliges Lob wie auch besonders harte Kritik sei ein Indiz dafür, dass man die Beurteilung genauer unter die Lupe nehmen müsse. Der bayerische Hotelier Sepp Stein hatte sich beklagt, dass eine ungerechtfertigte Schmähkritik ihm um ein Haar materiellen Schaden zugefügt hätte. Stammgäste hätten mit eigenen Kommentaren dem Miesmacher den Wind aus den Segeln genommen.
In der Hotelbranche geht man davon aus, dass künftig nicht nur Wettbewerb zwischen den Unternehmen herrscht, sondern unterschiedliche Vertriebswege sich ebenso heftig Konkurrenz machen wie halboffizielle, firmeninterne und private Qualitäts-Beurteilungssysteme.
Thomas Albertsen

Artikel vom 17.03.2007