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Ein klares Zeichen für
Toleranz und Wahrheit

Woche der Brüderlichkeit: Bittere Notizen aus Israel

Bielefeld (uko). Eine klare Absage an Vorurteile gegen Minderheiten und Andersdenkende hat Bürgermeister Horst Grube gefordert. Im Rahmen der Woche der Brüderlichkeit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit warnte Grube davor, sich »auf dem Erreichten der rechtsstaatlichen Grundsätze auszuruhen«.

»Redet Wahrheit« lautete denn auch der Festvortrag des iraelischen Publizisten Igal Avidan, der für zahlreiche israelische Publikationen in Berlin arbeitet. Avidan zeichnete eine besorgniserregende Innenansicht des Staates Israel, der derzeit nur mit seinen wirtschaftlichen Erfolge in den positiven Schlagzeilen stehe.
Sicher, die Arbeitslosenzahlen seien auf dem niedrigsten Stand seit Jahren, die Wachstumsrate des vergangenen Jahres habe bei fünf Prozent gelegen und die Inflationsrate sei mit 0,1 Prozent bemessen. Dennoch habe die Führungsriege der israelischen Politik einen denkbar schlechten Ruf. Nur drei Prozent der Bevölkerung sei mit Premierminister Olmert zufrieden. Vorgänger Sharon hatte 65 Prozent Zustimmung. Der Staatspräsident stehe vor einem Strafverfahren und der Amtsenthebung wegen des sexuellen Missbrauchs einer Frau; wegen eines ebensolchen Deliktes sei der Innenminister just zurückgetreten und eine andere Ministerin habe öffentlich ihre Arbeitsscheu bekannt.
Politik und Polizei würden von der Korruption beherrscht. Das Gute daran sei nur die Aufdeckung der Vorgänge, meinte Avidan. »Die Kanalisation wird geklärt, und dann stinkt es eine Weile.« Die Israelis litten obendrein unter der existentiellen Bedrohung durch den Iran und das Stocken des Friedensprozesses mit den Palästinensern, für den die Menschen in Israel eindeutig auf ein stärkeres Engagement der Europäischen Union setzten. Positiv habe sich indes der Grenzzaun zum Gazastreifen ausgewirkt. Terroranschläge seien dort, wo 336 von 790 geplanten Kilometer Zaun und Mauer errichtet worden seien, deutlich reduziert worden. Menschenleben seien an jenen Stellen seit 2005 auch nicht mehr zu beklagen.
Zu der Festveranstaltung im Großen Saal des Neuen Rathauses hatte Dr. Karl-Christoph Flick, der Evangelische Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, neben Mitgliedern aus Rat und Verwaltung auch Vertreter der Kirche und des öffentlichen Lebens begrüßt. Er freute sich über die Gründung vieler neuer Gruppen in Bielefeld, die im Sinne einer rechtsstaatlichen und humanen Gesellschaft eine friedliche Zukunft mitgestalteten.
Horst Grube rief dazu auf, Begegnungen und Gespräche mit Menschen zu suchen, »Toleranz und Akzeptanz in den Vordergrund des Handelns« zu stellen. »Wir müssen den Mund aufmachen, dürfen nicht schweigen aus Bequemlichkeit und aus Eigennutz«, sagte der Bürgermeister. Zudem solle jeder erkennen, »dass seine Wahrheit nicht die Wahrheit des anderen ist«. Jeder solle akzeptieren, »dass es die absolute Wahrheit nicht gibt«. Horst Grube: «Wir müssen uns engagieren, dass Bielefeld eine weltoffene Stadt ist und bleibt.«

Artikel vom 12.03.2007