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Die Grenzen des
Notrufs erfahren

112 gewählt und »falsch« verbunden

Von Gerhard Hülsegge
und Ulrich Hohenhoff (Foto)
Bielefeld (WB). Wer die Notruf-Nummer 112 wählt, rechnet damit, dass sich am anderen Ende des Telefons die Feuerwehr-Leitstelle des Kreises oder der Stadt meldet, in der er wohnt. Aber: Weit gefehlt, wie Stephan Wohlgemut aus Senne jetzt feststellen musste.

»Ich wurde mit der Notrufzentrale in Lippe verbunden. Dort hat man mir dann gesagt, ich müsse mich in Bielefeld melden. Die Nummer war mir natürlich nicht geläufig«, berichtete der 38-jährige Technische Zeichner gestern gegenüber dem WESTFALEN-BLATT. Vergangenen Donnerstagabend gegen 20 Uhr hatte er seine 75-jährige Mutter bewusstlos im Badezimmer aufgefunden, nachdem sie gestürzt war. Ihre Wohnung befindet sich in Lämershagen. Das bergische Dorf am Teuto hat zwar eine gesonderte Telefon-Vorwahlnummer (05202) und liegt nahe Oerlinghausen an der Grenze zum Kreis Lippe, gehört aber einwandfrei zum Bielefelder Stadtbezirk Stieghorst.
Deshalb war der um seine Mutter besorgte Sohn auch arg irritiert, dass er mit der 112 nicht die richtige Nummer gewählt haben sollte. »Ich habe dann den Hausarzt meiner Mutter angerufen, der zum Glück auch Nachtdienst hatte. Der kam dann mit dem Notarzt aus Bielefeld«, schildert Wohlgemut den glücklichen Ausgang der Geschichte. Seine Mutter, die das Bewusstsein inzwischen wiedererlangt hatte, wurde mit dem Rettungswagen ins St. Franziskus-Hospital gebracht.
Bielefelds stellvertretender Feurwehrchef Rainer Kleibrink mochte nicht glauben, dass seine Lipper Kollegen den Hilfesuchenden abgewiesen haben. »Ist eine Leitstelle nicht zuständig, wird der Anrufer in der Regel gebeten, in der Leitung zu bleiben. Mit drei Knopfdrücken wird er dann sogleich mit der richtigen verbunden«, schildert er den Normalfall. Das dauere nur Sekunden. Sekunden, die freilich lebensentscheidend sein können.
Dass Notrufe aus den Ortsrändern, insbesondere wenn sie per Handy abgesetzt werden, bei der Nachbar-Leitstelle auflaufen, ist dagegen kaum zu vermeiden. Die 112 müsste an den Ortsgrenzen den Empfänger wechseln. »Das ist technisch aber nicht möglich«, erklärte Sabine Röttger, Pressesprecherin der Telekom AG. »Dazu wäre eine meterscharfe Abgrenzung nötig«, bestätigte Achim Volkmer, Pressesprecher der Detmolder Bezirksregierung. Wer auf »Nummer Sicher« gehen will, kann die Feuerwehr-Leitstelle in Bielefeld direkt anwählen (unter 0521-512301).
Im Fall Wohlgemut waren unterdessen wohl nicht nur Sohn und Mutter im Stress. Die Sanitäter ließen vor Aufregung sogar ihr Handwerkszeug im Schlafzimmer zurück...

Artikel vom 10.03.2007