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Schwebend im Grand Canyon

Gewagte und umstrittene Aussichtsplattform »Skywalk« vor Eröffnung

Von Barbara Munker
San Francisco (dpa). Ein Spaziergang über dem Abgrund, nur für schwindelfreie Touristen: 1200 Meter hoch über dem Talboden des Grand Canyon können sie demnächst über eine dünne, glasverkleidete Plattform laufen.

Amerikas berühmtestes Naturwunder lässt sich so wie aus der Vogelperspektive erleben. Der sogenannte Skywalk (Himmelssteg) auf dem Gelände des Hualapai-Indianerreservats ist in dieser Woche nach monatelangen Verzögerungen im Felsuntergrund verankert worden. Die hufeisenförmige Aussichtsbrücke ragt knapp 25 Meter weit über den Abgrund hinaus. Weil die durchaus umstrittene Konstruktion im Hoheitsgebiet des Stammes gebaut wurde, kam sie um striktere Auflagen des US-Bundesstaates Arizona herum.
Am 20. März soll der frühere Astronaut Buzz Aldrin, der schon »historische erste Schritte« auf dem Mond tat, mit einem Spaziergang über dem gläsernen Boden die neue Touristenattraktion offiziell einweihen, werben die Projekt-Betreiber. Ende März soll der »Skywalk« dann für die Öffentlichkeit begehbar sein.
Es ist eine spektakuläre Glas- und Stahlkonstruktion, mehr als 480 Tonnen schwer, mit acht riesigen Trägern tief in dem rötlichen Steilfelsen verankert. Sie soll Erdbeben, heftigen Windböen und dem Ansturm der Touristen standhalten, versichern die Bauherren. Eine Berliner Glasfirma lieferte dazu spezielles Verbundsicherheitsglas.
Doch der 30 Millionen Dollar teure Glasbalkon hat neben Bewunderern auch scharfe Kritiker. »Dies hätte nie gebaut werden dürfen«, wetterte die Hualapai-Indianerin Leatrice Walema in der Zeitung »Arizona Republic«. »Unsere Vorfahren haben auf diesem Land gelebt. Dies ist heiliger Grund und Boden«. Ihr Bruder Casey dagegen teilt die Bedenken nicht. »Viele Menschen haben noch nie von uns gehört und dies könnte viele Touristen anlocken«, verspricht sich der Silberschmuckverkäufer gute Geschäfte.
Die Geschwister zählen zu den 2200 Angehörigen des verarmten Stammes der Hualapai. Ein Stammesausschuss hatte dem Investor David Jin vor drei Jahren seine Zustimmung zu dem Projekt auf ihrem Reservat am Westrand des Grand Canyon gegeben. Als Eintritt wollen sie von jedem Besucher 25 Dollar kassieren. Jin wird prozentual beteiligt, doch der Bau ist Eigentum des Stammes. Ein Teil der Hualapai beklagt die Entweihung ihrer heiligen Erde, andere hoffen auf einen Weg aus der Armut.
»Das wird Essen auf unsere Teller bringen«, prophezeit der Stammesbruder und »Skywalk«-Betriebsmanager Robert Bravo. Er rechnet in diesem Jahr bereits mit 600 000 Besuchern, von 2008 an gar mit einer Million Touristen. Zum Vergleich: der Grand Canyon Nationalpark im Nachbarstaat Colorado lockt jährlich um die vier Millionen Besucher an.
Auch Naturliebhaber und Umweltschützer haben den »Skywalk« als Schandfleck an der bisher unberührten Canyon-Wand angegriffen. »Es ist eine regelrechte Travestie«, schimpfte Robert Arnberger, früherer Leiter des Grand Canyon Nationalparks in der »Washington Post«. Doch Sheri Yellowhawk vom Wirtschaftskomitee des Stammes nimmt das Projekt gegen derartige Vorwürfe in Schutz. »Wir bauen kein Kraftwerk. Dies ist keine Achterbahn und niemand wird herumgeschleudert«. Dies sei vielmehr »ein natürlicher Weg«, den Grand Canyon zu sehen.

Artikel vom 10.03.2007