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Wenn Fünfe ziehen, dann rollt der Wagen

Erfolgreiches Generationen-Management in Versmolder Omnibusbetrieb Fritz Sieckendiek

Versmold (WB). Sie sind fünf, arbeiten für zehn und haben Spaß für 20. Sie sind das Führungsteam der Fritz Sieckendiek GmbH & Co. KG aus Peckeloh: Renate Sieckendiek (63), ihre Töchter Bettina (42) und Birgit (39) sowie Schwiegersohn Stefan Rinker (41) und Ingo Kehl (43).

Der westlichste Versmolder Ortsteil ist Sitz eines Familienunternehmens, das seit 1965 ununterbrochen in Bewegung ist: Die Sieckendieks führen ein Busunternehmen, zwei Reisebüros und eine große Lkw- und Bus-Werkstatt. Aus einem Bus sind mittlerweile 30 Fahrzeuge geworden. Aus zwei Mitarbeitern 45. Dazwischen liegen nicht nur 42 Jahre, sondern auch Mut, viel Glück und noch mehr Arbeit.
Es war die Zeit des Aufbruchs, die Fabrikschlote standen unter Volldampf: Renate und Fritz Sieckendiek bekamen 1965 die Chance ihres Lebens. Von einem älteren Herrn konnten sie einen Bus und einen Bulli kaufen. Dazu gab es neben der Konzession den Auftrag, für die Fleischwarenfabrik Wiltmann alle Mitarbeiter von und zur Arbeit zu fahren. Montags bis Freitags rollten die Busse zur Werkbank, samstags und sonntags wurde Ausflüglern die Welt gezeigt. Morgens war Abschmieren angesagt, abends Putzen. Danach wollte noch die Familie und anfangs auch noch die kleine Landwirtschaft versorgt sein. Morgens zwischen vier und fünf Uhr saßen beide wieder auf dem Bock.
Neue Auftraggeber fanden sich ein, Sieckendieks fuhren bald auch Linien für die Post, die Bahn und die Schulen. Immer dröhnte irgendwo auf dem Hof an der Bismarckstraße eine Betonmischmaschine - neue Busse und neue Ideen brauchten immer mehr Platz. 1974 eröffneten Sieckendieks das erste Reisebüro - damals noch im heimischen Wohnzimmer. 1992 folgte das zweite in Warendorf. Renates Ehemann Fritz hatte die Werkstatt 1974 so weit ausgebaut, dass er einen MAN-Servicevertrag angeboten bekam. Anfang der 80-er Jahre erschien dann der erste eigene Katalog für Busreisen. Unter dem Motto »Wir zeigenÕs Ihnen« gab es von sofort an Städtereisen, Musicalfahrten und mehr.
»Wir haben malocht wie verrückt. Aber es hat Spaß gemacht«, sagt Renate Sieckendiek heute. Die ganze Familie, alte Kollegen und Freunde halfen an allen Ecken, den Betrieb mit aufzubauen. Morgens frühstückten die Fahrer gemeinsam, mittags löffelten sie Erbsensuppe. Die eine Oma brachte heißen Grog an die Grube, um den Ölwechsel in der Winternacht erträglicher zu machen. Die andere trat die Fettpresse. Jede verdiente Mark wurde wieder investiert. Ob umbauen, neu bauen oder ein neuer Bus - Fritz Sieckendieks Lieblingsbegründung gegenüber seiner Frau war stets: »Das müssen wir machen.«
Die Töchter Bettina und Birgit, Jahrgang 1964 und 1968, wurden quasi auf der ersten Bank hinter ihrem Busfahrersitz groß: »Nachmittags nahm ich sie immer mit auf Tour, damit die Omas auch mal verschnaufen konnten«, erinnert sich die Senior-Chefin. Über die Jahre sind nicht nur die Töchter in das Unternehmen hineingewachsen. Seitdem Fritz Sieckendiek 1999 starb, führt Renate Sieckendiek das Unternehmen mit vier Mitgliedern der zweiten Generation: neben den Töchtern sind das Ingo Kehl und Stefan Rinker. Rinker führt zusammen mit seiner Frau Birgit die große Bus- und Lkw-Werkstatt, Kehl plant und managt alle Busverkehre im In- und Ausland, Bettina Sieckendiek kümmert sich hauptsächlich um neue Busreise-Angebote und das Marketing des Unternehmens. Mutter Renate ist Chefin der beiden Reisebüros und so ganz nebenbei auch noch Reiseleiterin für ganz besondere Fahrten.
Der Tod des Gründers im Sommer 1999 war für alle fünf eine große Herausforderung. Zusammenraufen müssen sie sich trotz weitgehend getrennter Aufgabengebiete noch heute. Ingo Kehl, gelernter Bänker und seit 17 Jahren im Sieckendiek-Team: »Der eine will bauen, der zweite einen neuen Bus kaufen, die dritte in mehr Werbung investieren.« Wenn es um größere Geldsummen für neue Projekte ging, sind sich die fünf bislang immer einig geworden. Neuestes Projekt ist ein überdimensionaler Carport für die Linienbusse.
»Bremsen würde ich nie - die Räder müssen rollen«, sagt die Senior-Chefin. Renate Sieckendiek weiß, dass sie es besser getroffen hat als viele andere ihrer Gründergeneration, und ist überglücklich, dass alle Kinder so kraftvoll dabei sind: »Alleine wäre so ein großer Betrieb gar nicht mehr zu schaffen.« Trotz 45 Mit Mitarbeitern, die toll mitziehen, - jeder der fünf Sieckendiek-Macher sitzt noch regelmäßig hinterm Buslenkrad. Die Aufgabengebiete haben Abstand, aber in jedem sind mindestens zwei fit. »Da kann einer für den anderen einspringen, wenn Not am Mann ist«, sagt Bettina Sieckendiek.
16 oder gar 20 Stunden Arbeit an sieben Tagen - das ist heute eher Ausnahme als Regel. Aber mit der Formel »8 x 5 Stunden pro Woche« kommt keiner der fünf Sieckendiek-Zugpferde aus. Für die Senior-Chefin kein Problem: »Der Tag ist ausgefüllt, das Leben ist ausgefüllt. Mit so vielen Menschen zu arbeiten ist toll. Was will man mehr?« Stefan Rinker: »Der Erfolg macht Spaß und bestätigt darin, immer noch ein Fünkchen besser werden zu wollen.« Jüngster Triumph: Die Sieckendiek-Fahrer Thorsten Henger und Matthias Strangmann sowie Werkstattmeister Rinker wurden als erste von europaweit 20 Co-Entwicklern ausgewählt, ein Neoplan-Vorserienfahrzeug 24 Monate lang ausgiebig zu testen.
Ob die dritte Generation der Familie in zehn bis zwanzig Jahren engagiert und vielleicht sogar gemeinsam am Sieckendiek-Steuer sitzen wird, ist heute noch offen. Erwartet wird es von den vier Enkeltöchtern nicht. Birgit Sieckendiek-Rinker: »Geht man davon aus, dass sie ein bisschen Mut, ein bisschen Ehrgeiz und Freude an der Arbeit geerbt haben, stehen die Chancen dafür ziemlich gut, dass Sieckendiek-Busse noch lange von Peckeloh aus rollen.«

Artikel vom 17.03.2007