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50 Putzfrauen
sollen Anklage
vom Tisch fegen

Anwalt: »Mordmotiv nicht haltbar«

Von Christian Althoff
Espelkamp (WB). 50 Putzfrauen will der Mindener Strafverteidiger Dr. Jürgen Thiel in den Zeugenstand bitten - um seine Mandantin Axana P. (35) aus Espelkamp vom Vorwurf des Mordes zu entlasten.
Rechtsanwalt Dr. Jürgen Thiel hält seine Mandantin für unschuldig.

Der Prozess gegen die 35-Jährige beginnt am 23. Februar. Axana P. war Objektleiterin in der Bielefelder Niederlassung des bundesweit tätigen Reinigungsunternehmens Piepenbrock und soll die Ermordung ihres Chefs und Ex-Geliebten Frank W. (41) in Auftrag gegeben haben. Der Niederlassungsleiter war am 7. September von einem Killerkommando in seinem Büro erschossen worden, vier Männer werden deshalb neben Axana P. auf der Anklagebank sitzen.
Staatsanwalt Christoph Mackel geht davon aus, dass Axana P. jahrelang über Scheinarbeitsverträge Geld aus der Firma gezogen hat, um sich zu bereichern. Als Frank W. ihr auf die Spur gekommen sei, habe er sterben müssen, heißt es in der Anklage.
»Falsch!«, erklärte gestern Rechtsanwalt Thiel. Axana P. und ihr Chef hätten mit Wissen der Firmenleitung in Osnabrück seit Jahren Scheinarbeitsverträge genutzt, um eine Schwarzgeldkasse führen zu können. Der Verteidiger: »Man überwies regelmäßig Lohn an Strohleute, die überhaupt nicht für Piepenbrock gearbeitet haben. Die durften 20 Euro behalten, den Rest übergaben sie meiner Mandantin und ihrem Chef.« Mit diesem Schwarzgeld seien dann Putzkräfte bezahlt worden. Dr. Thiel: »Wenn Sie etwa jemanden finden wollen, der sonntags auf seine Freizeit verzichtet und eine Turnhalle putzt, müssen Sie schon mit Schwarzgeld winken.« Er habe bereits 30 Putzfrauen auf seiner Liste stehen, die vor Gericht aussagen würden, Schwarzgeld bekommen zu haben - von Frank W. und Axana P. »Bis zum Prozess werden es 50 Zeuginnen sein«, sagte der Anwalt. Damit stehe fest, wohin das Schwarzgeld geflossen sei: »Meine Mandantin hat sich nicht bereichert und somit auch kein Mordmotiv!«
Das sieht Staatsanwalt Mackel anders: »Mag sein, dass auch Schwarzgeld floss. Aber die Beschuldigte und ihr Ehemann haben über so viel Bargeld verfügt, dass sie anderen Russlanddeutschen in Espelkamp sogar vier- bis fünfstellige Kredite gewährt haben.« Vom Konto beider berufstägigen Eheleute sei außer der Hypothek für ihr Haus nichts abgebucht worden. »Wovon haben die wohl gelebt, wenn nicht von veruntreutem Geld?«, fragte Mackel. Beim Verfassen der Anklageschrift im Januar sei er noch von einem Schaden von 114 000 Euro ausgegangen. »Inzwischen sieht es so aus, dass die Angeklagte mehr als 200 000 Euro veruntreut hat«, sagte der Staatsanwalt.
Für den Prozess gegen die Hauptbeschuldigte und ihre mutmaßlichen vier Komplizen sind vom Landgericht Bielefeld zunächst 15 Verhandlungstage angesetzt worden. Die Witwe des getötete Niederlassungsleiters, die mit zwei Kindern zurückgeblieben ist, wird als Nebenklägerin auftreten.

Artikel vom 09.03.2007