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»Diese Spiele machen einfach Spaß«

Trainer Ottmar Hitzfeld führt Bayern München ins Viertelfinale und soll unbedingt bleiben

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
München (WB). Das Älterwerden kann sich auch in einem Fußballstadion vollziehen. An gefühlten Lebensjahren legten viele der Menschen, die sich am späten Abend des 7. März 2007 in der Münchener Allianz Arena aufhielten, um einiges zu. Das baut sich auch bei den Verantwortungsträgern hoffentlich schnell wieder ab. Sonst wäre Ottmar Hitzfeld schon 63. Oder sogar ein Achtundsechziger.

Fünf bis zehn Jahre wurden dem Fußball-Lehrer des FC Bayern München nach dem 2:1 gegen Real Madrid dazu gegeben. Ganz so wollte es der Jahrgang 1949 nun auch wieder nicht haben, grundsätzlich wollte er es schon so. Denn er ist ein Genießer: »Solche Spiele sind immer etwas Besonderes. Sie machen großen Spaß.« Damit meinte der Trainer die Minuten eins bis 82, in denen sich seine Elf durch die Treffer von Roy Makaay (1.) und Lucio (66.) auf dem sicheren Weg ins Viertelfinale der Champions League wähnte.
Dann verfügte der tschechische Schiedsrichter Lubos Michel nach einem Einhakler von Lucio bei Robinho einen Foulelfmeter für Real, den Ruud van Nistelrooy verwandelte. Weil sich Mark van Bommel und Mahamadou Diarra vor der Exekution immer wieder schubsten und gar nicht voneinander lassen konnten, entschied sich der Spielleiter dazu, die beiden bereits verwarnten Kampfhähne mittels Gelb-Rot zu eliminieren.
Damit nicht genug der allgemeinen Aufregung. Kurz darauf schoss der Madrilene Sergio Ramos den Ball ins Tor, und wenn Michel nicht sofort die spanische Hand am Fußball erkannt hätte, wäre aus dem Triumphzug der Bayern ein Trauermarsch geworden. Hitzfeld wusste das. Anspannung statt Entspannung: Auf einmal stand ihm wieder ins Gesicht geschrieben, warum er nach seinem Rauswurf beim Rekordmeister eine lange Erholungspause einlegte. Der Trainerjob mit seinem Zwang zum Erfolg hatte ihn damals fast aufgefressen.
Auf die erste echte Nervenprobe seit seiner Rückkehr wurde er im Duell mit den »Königlichen« gestellt, gleich mit Zusatzzeit von jeweils vier Minuten pro Hälfte. »Wenn du fast 100 Minuten spielst, ist das nicht das Allerbeste für die Nerven«, litt auch Manager Uli Hoeneß als Hitzfelds Bank-Nachbar mit und offenbarte sein Bedürfnis nach einem glücklichen Ende: »Wenn es dann wenigstens gut geht, ist alles okay.«
Auf die Folter gespannt hatten sich die Bayern selbst, weil sie beim Ausnutzen der Torchancen Madrid gegenüber Milde walten ließen. Diese Nachsichtigkeit beschleunigte den Alterungsprozess von Anhängern und Angestellten. Dass mit der Motivation auch der Stress sein Comeback feierte, wird Hitzfeld nicht leugnen und dies zu einem zentralen Punkt seiner Überlegungen machen müssen.
Schickt er die Bayern wieder auf Trainersuche oder nicht? Hitzfeld hat da so ungefähr die Wahl zwischen Glückshormonen oder Herzrhythmusstörungen. Fest steht, dass ihm der Verein, der ihn 2004 wegen Ausgebranntheit und lascher Teamführung feuerte, nun wieder zu Füßen liegt. »Großer Ehrgeiz, großer Fleiß, große Qualität«, rühmte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge die Fähigkeiten des runderneuerten Heimkehrers. Kategorisch abgelehnt hat Hitzfeld das Werben nicht, nachgeben mag er allerdings im Augenblick ebensowenig: »Ich will jetzt erst hier arbeiten und keine großen Schlagzeilen machen.« Er muss es auch erst einmal sacken lassen, dass aus der geplanten Nothilfe bis zum Saisonende nun doch wieder ein Dauerauftrag werden soll.
Die Bayern interpretieren die Hitzfeld-Haltung positiv. Kann schon sein, dass der Wunschkandidat weitermacht, nur drängen sollten sie ihn nicht. »Wir lassen den Ottmar in Ruhe«, sagt Karl-Heinz Rummenigge, »zu gegebener Zeit werden wir dann intern reden.«
Vorgeprescht ist schon Franz Beckenbauer, der 62 ist und dem vier Jahre jüngeren Freund per präsidialer Weisung zu verstehen gab, dass der nun genug Freizeit hatte: »Du hast dich zweieinhalb Jahre ausgeruht. Das reicht.« Der rote Teppich ist ausgerollt.

Artikel vom 09.03.2007