09.03.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Hauptschulen abschaffen«

Führende Bildungsexperten fordern radikalen Umbau des Schulsystems

München (dpa/WB/bk). Führende Bildungsexperten haben den radikalen Umbau des deutschen Schulsystems gefordert. Das dreigliedrige System solle auf eine zweigliedrige Struktur aus Sekundarschulen und Gymnasien umgestellt werden, empfahl der »Aktionsrat Bildung« .
Die Konsequenz eines zweigliedrigen Schulsystems wäre die Abschaffung der Hauptschulen. »Hauptschulen sind in einigen Ländern eine Art Restschule geworden«, sagte der Chef des deutschen PISA-Teams und Mitglied des Aktionsrats, Manfred Prenzel. Nach Ansicht des auf Initiative der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft gegründeten Aktionsrats sollen die Schüler frühestens nach dem sechsten Lernjahr auf die verschiedenen Schulformen verteilt werden. Zudem müsse es ein flächendeckendes Angebot von Ganztagsschulen und mehr Krippenplätze geben. Außerdem schlägt der Rat vor, dass über »zielgenaue Zulassungsprüfungen« ein Studium auch ohne Abitur als »formale Hochschulzugangsberechtigung« möglich sein solle. Die Experten forderten Bund und Länder auf, einen »Masterplan für mehr Bildungsgerechtigkeit« mit klaren Zielvorgaben und Finanzierungskonzepten vorzulegen. »Dieser Plan muss sich auf das gesamte Bildungssystem - von der Kindergrippe bis zum Hochschulbereich beziehen«, sagte Prenzel.
Nach den Vorstellungen des Aktionsrats, dem sieben namhafte Professoren angehören, sollen Schulen weitgehende Autonomie erhalten. Sie sollten zwar staatlich finanziert, aber von privaten Trägern geleitet werden. Diese sollten selbst für Auswahl und Einsatz der Pädagogen verantwortlich sein, aber auch für deren leistungsbezogene Bezahlung. Lehrer sollten grundsätzlich befristet beschäftigt werden und damit künftig nicht mehr Beamte sein. Nur nach Teilnahme an Fortbildungen sollten ihre Arbeitsverträge verlängert werden.
Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat sich unterdessen gegen eine radikale Reform des Bildungssystems ausgesprochen. Man sollte jetzt nicht »eine Debatte über das Schulsystem führen sondern für größere Durchlässigkeit sorgen«, sagte die Ministerin. Sie sei gegen die Abschaffung der Hauptschule, sagte die Ministerin. Auch befristete Lehrer-Anstellungen lehne sie ab. »Dadurch wird die Attraktivität des Lehrerberufs sicher nicht erhöht«, sagte Schavan. Besser seien etwa Leistungsprämien. »Privatschule heißt nicht automatisch bessere Schule. Man darf den Wert der öffentlichen Schulen nicht unterschätzen.«
Kritik an dem Experten-Entwurf kommt auch vom nordrhein-westfälischen Philologenverband (PHV): »Die Vorschläge zur Privatisierung des Schulsystems sind populistisch und unseriös«, sagte der Landesvorsitzende des Verbands, Peter Silbernagel, dieser Zeitung. Eine Aufweichung des Abiturs sei kontraproduktiv. Es müsse eine einheitliche Hoch- schulzugangsberechtigung geben. Dieser Meinung ist auch Udo Beckmann vom nordrehein-westfälischen Verband Bildung und Erziehung (VEB) »Bei einer Privatisierung des Schulsystems würden die Bildungschancen der Kinder zukünftig vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein.«
Seite 4: Kommentar

Artikel vom 09.03.2007