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Robert Haschke (links) und Prof. Helge Ritter mit der Bielefelder Computerhand.

Eine eigene Wohnung
für den Roboter

Uni möchte Kooperation mit Honda forcieren

Von Sabine Schulze (Text)
Bielefeld (WB). In der Roboterforschung gehört die Universität Bielefeld zu den weltweit führenden Gruppen. Grund genug für den japanischen Konzern Honda, über eine Forcierung der Zusammenarbeit nachzudenken. Die Verlegung der Honda-Roboterentwicklung an den Teutoburger Wald will NRW-Forschungsminister Andreas Pinkwart den Japanern versüßen: Je 900 000 Euro soll es dafür von 2007 bis 2010 geben (wir berichteten).

Seit Jahren gibt es bereits eine Zusammenarbeit zwischen der Technischen Fakultät der Universität und dem Europa-Forschungsinstitut von Honda mit Sitz in Offenbach. Vor anderthalb Jahren hatte Prof. Dr. Gerhard Sagerer dann die Idee, die Kooperation zu institutionalisieren. Nun hofft er, dass die Verhandlungen zu einem positiven Abschluss kommen. »Sollte Honda noch einmal so viel investieren wie das Land, wäre das ein Startpunkt und die Arbeit könnte richtig beginnen.« Die Universität, so sein Kollege Prof. Dr. Helge Ritter, plane dann die Einrichtung einer Graduate School zur Qualifizierung von Doktoranden.
Die Bielefelder forschen in der Mensch-Maschine-Kommunikation und der Steuerung von Robotern. Die Maschine, die später vielleicht einmal unsere Hausarbeit bewältigen soll - vom Bettenmachen über das Staubsaugen bis hin zum Fensterputzen - oder als Pflegekraft eingesetzt wird, muss all das können, was auch der Mensch kann: Sie muss Sprache verstehen, sehen, auf Veränderungen prompt reagieren und sich einigermaßen geschickt bewegen.
Die Roboterhand, die an der Uni Bielefeld entwickelt wurde, ist schon recht beweglich. Sie kann Getränkedosen aufnehmen und im Müll entsorgen, Stifte ergreifen und sogar kleine Reißzwecken aufklauben. Dafür hat die Hand sogar Fingernägel bekommen: »Sie dienen dem Aufnehmen kleiner Gegenstände und dem Abtasten von Oberflächen«, erklärt Robert Haschke. Ein zweiarmiges System ist just in der Entwicklung. »Eine zweite Hand bedeutet eine ungleich größere Bewegungsvielfalt«, betont Ritter.
Derzeit mangelt es noch an manueller Intelligenz. »Der Mensch, der einen Stift ergreift, weiß, mit welcher Absicht er das tut: Will er ihn in eine Schublade legen oder will er damit schreiben? Davon hängt ab, wie er den Stift aufnimmt - und zwar ohne dass er lange darüber nachdenken muss. Ein Roboter würde den Stift irgendwie aufnehmen und müsste umständlich umgreifen.«
Wollte man den Roboter irgendwann auf den Menschen »loslassen«, müsste er zudem Kraft- und Berührungssensoren haben. Immerhin, erzählt Ritter, sind die Maschinen schon so sensibel, dass sie Schafe scheren können. »Und von großen Verlusten habe ich noch nichts gehört.« Nötig wird auch sein, dem Roboter viel Weltwissen zu vermitteln. »Er hat erst einmal eine unvoreingenommene Perspektive«, sagt der Informatiker. Eine Tasse ist zum Trinken? Weiß jedes Kleinkind, aber nicht automatisch der Roboter. Er wird es lernen müssen, wenn er eng mit und für den Menschen arbeitet.
Damit umgekehrt auch der Mensch den Roboter als Gefährten akzeptiert, erklärt Ritter, soll der Haushalts- oder Pflegeroboter ein wenig kleiner als unsereins sein: »So ist er nicht furchteerregend und kommt doch an alle Arbeitsplatten.« Außerdem wollen die Bielefelder Wissenschaftler ihm ein menschliches Antlitz geben - wenn das denn überhaupt gewünscht wird. »Womöglich schreckt ja eine zu große Änlichkeit eher ab?«, fragt Prof. Dr. Franz Kummert.
»Barthoc« soll helfen, diese Frage zu beantworten. Der Roboter hat ein Gesicht und kann Erstaunen, Freude, Unverständnis oder auch Unwillen ausdrücken. Wie die Mimik angetrieben werden muss, damit sie auf den Menschen wirkt, wollen Sagerer, Kummert und ihre Mitarbeiter ergründen. Für eine »halbwegs ordentliche Mimik«, so Doktorand Joachim Schmidt, sind 30 verschiedene Muskeln nötig.
Die Grundlage von Barthoc (ein Akronym von »Bielefeld Anthropomorphic Robot for Human-Oriented Communication«) ist »Biron«, der »Bielefeld Robot Companion«. Ein Exemplar dieser Maschine steht im Uni-Labor, ein zweites wartet in seiner eigenen Wohnung auf Besuch. Tatsächlich ist für Biron unweit der Hochschule eine Wohnung angemietet und mit Möbeln von IKEA möbliert worden. »Abseits der Labor-Atmosphäre testen wir in natürlicher Umgebung, wie sich der Roboter verhält«, erklärt Kummert. Denn Biron soll Menschen erkennen, die die Wohnung betreten, auf sie zugehen, merken, ob er angesprochen wird oder ein zweiter Mensch. Und entsprechend soll er reagieren. »Als Mieter ist Biron sehr angenehm«, meint Kummert: Er hört keine laute Musik, schmutzt nicht und empfängt nur während normaler Arbeitszeiten Wissenschaftler zu Besuch.

Artikel vom 09.03.2007