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Feiner Zug: Bahnfahrt bald mit »Flirtfaktor«

Stadtwerke besuchen Stadler-Produktion in Pankow

Von Michael Diekmann
Bielefeld/Pankow (WB). Kai-Uwe Steinbrecher hat nichts gegen einen Flirt. Der Betriebsleiter der Stadtwerke-Tochter moBiel freut sich auf 19 gleichnamige Triebzüge (FLIRT). Die entstehen derzeit in Berlin-Pankow, werden von Dezember an für die Westfalenbahn eingesetzt und in der Region vier Millionen Zugkilometern Betriebsleistung jährlich erbringen.

Die Westfalenbahn, freuen sich die Stadtwerke-Geschäftsführer Wolfgang Brinkmann und Friedhelm Rieke, ist der Einstieg des Bielefelder Verkehrsunternehmens in die »große Eisenbahnwelt«. Ein Viertel von Westfalenbahn ist moBiel, mit im Zug sitzen je zu einem Viertel auch Abellio (Essen), Mindener Kreisbahn und die Extertalbahn. »Wir haben uns beworben, unser Konzept hat überzeugt«, freut sich Steinbrecher. Zwar wurden die von der Deutschen Bahn »abgelegten« Regionalstrecken neu ausgeschrieben. Die Westfalenbahner, derzeit mit Hochdruck in der Vorbereitung des Linienbetriebs, wollen aber keine »abgelegte Regionalbahn« bieten, sondern in vielfacher Hinsicht kundenfreundliches Neuland und jede Menge Fahrgäste zurückholen. Das Konzept, sagt Rieke, ist auf Wachstum ausgerichtet. Ein Überschuss kann helfen, das jährliche Defizit im Bielefelder ÖPNV von derzeit 17 Millionen Euro zu senken. Das Erfolgsrezept der Bielefelder: Schneller, besser, sauber.
Von der außergewöhnlichen Qualität des Bielefelder Konzeptes (Zentrale der Westfalenbahn ist Bielefeld, Depot Rheine) kann man sich derzeit in Berlin-Pankow überzeugen. Bei der Stadler GmbH, Mittelständler mit Schweizer Wurzeln) liegen gerade die 19 Zugeinheiten »auf Kiel«: Bauzeit pro Zug zwischen acht und zehn Wochen. Insgesamt 14 Dreiteiler und fünf Fünfteiler sollen die 300 Kilometer Strecke zwischen Bielefeld, Herford, Altenbeken, Bünde, Osnabrück und Bad Bentheim befahren. Mehr als 80 Beschäftigte werden eingestellt. Neben Zugführern und »Bodenpersonal« insbesondere Begleiter, die vermehrt auf den Zügen mitfahren sollen. Mehr Service und Sauberkeit, in ausgesuchten Zügen sogar Cateringangebote. Man ist, wie Kai-Uwe Steinbrecher unterstreicht, äußerst flexibel im Angebot. Schließlich sollen die formschönen Elektro-Triebzüge mit 3500 PS und 160 Km/h Spitze nicht nur Pendler befördern, sondern auch das Reisen in der Region attraktiver machen.
Der FLIRT (schon 350 Stück sind gebaut), davon hat sich das Stadtwerke-Management in Pankow überzeugt, ist der »Daimler« unter den Regionalzügen. Sportlich in Petrol, Pistazie und Zyan lackiert und antigrafitti beschichtet, 100 Tonnen schwer, aber voll mit Spitzentechnik. Klima und Sitze sind ebenso optimiert worden wie die Motorleistung. Erstklassig reisen lässt sich auch in der zweiten Klasse. Von 180 bis zu 590 Fahrgäste können mitfahren. Die Auslieferung erfolgt Schritt für Schritt. Der erste Zug ist gerade auf der Betriebsprüfung in Tschechien. Nur dort gibt es ein Gelände für die umfangreichen Bremstests. Mit 30 Millionen Euro Jahresumsatz kalkuliert die Westfalenbahn inklusive fälliger Mieten an Gleis- und Bahnhofsnutzung. Die Züge selbst sind in England geleast.

Artikel vom 08.03.2007