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Mutter und ihr Kleinkind eingesperrt

Irakischer Asylbewerber zwingt Deutsche, ihn als Vater ihres Sohnes auszugeben

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). »Er hat mich eingesperrt, verprügelt, gedemütigt und vergewaltigt«, sagt Sophia S. (20) mit tränenerstickter Stimme. 16 Monate soll die Frau zusammen mit ihrem Kind (2) von einem Iraker gefangengehalten worden sein. Jetzt steht der mutmaßliche Peiniger in Bielefeld vor Gericht.

Die Drei-Zimmer-Wohnung am Stadtrand von Bielefeld ist spärlich eingerichtet - eine Übergangslösung. »Sobald der Prozess vorbei ist, ziehe ich mit meinem Sohn fort«, sagt Sophia S. »Irgendwohin, wo uns niemand kennt. Wo es schön ist.« Bielefeld - bis vor zwei Jahren hatte die junge Frau diesen Namen noch nie gehört. »Dann bin ich hierhin verschleppt worden.«
Sophia S. stammt aus Mecklenburg-Vorpommern. Sie lebte in Neubrandenburg als alleinerziehende Mutter mit ihrem Sohn Jan und hatte eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin begonnen. Am 26. April 2005 soll ihr der Iraker Alan H. (23), den sie aus einer Disco flüchtig kannte, auf offener Straße ein Messer an die Kehle gehalten und sie gezwungen haben, ihn mit in ihre Wohnung zu nehmen. »Ich habe getan, was er verlangt hat. Ich hatte Angst um Jan, der damals erst acht Wochen alt war.« Alan H. forderte von der Frau, mit ihm zum Jugendamt zu gehen und Jan als seinen Sohn auszugeben. »Derzeit werden abgelehnte Asylbewerber zwar nicht in den Irak abgeschoben, aber das kann sich schnell ändern. Deshalb wollte der Mann offenbar vorsorgen«, sagt Rechtsanwalt Wilfried Ewers, der Sophia S. beisteht.
Nach dem Überfall sei ihr Alan H. nicht mehr von der Seite gewichen, erzählt die junge Frau. »Er ist bei mir eingezogen und hat gedroht, mein Kind in den Irak zu verschleppen, sollte ich zur Polizei gehen.« Der Iraker habe sie zum Jugendamt begleitet, wo sie ihn als Vater ihres Kindes angegeben habe. »Bis zuletzt habe ich gehofft,   dass das Amt einen Vaterschaftstest verlangt, aber die wollten nur eine Unterschrift von mir«, erinnert sich Sophia S. Mit der Vaterschaftsurkunde habe sich Alan S. eine Aufenthaltserlaubnis erschlichen. »Ich dachte, damit sei alles vorbei«, erinnert sich die blonde Frau. Doch der Alptraum sollte erst noch beginnen . . .
»Aus Angst, ich würde meine Angaben beim Jugendamt widerrufen, ließ Alan mich nicht mehr aus den Augen. Jedesmal, wenn ich aus dem Haus ging, musste ich Jan bei ihm lassen - als Faustpfand. Alan sagte: Selbst wenn die Polizei mich mitnimmt, habe ich Verwandte, die deinen Sohn in den Irak bringen. Ich hatte fürchterliche Angst um mein Kind.« Bei ihrer Familie, sagt Sophia S., habe sie keine Hilfe gesucht: »Der Kontakt ist nicht so gut. . .«
Im August 2005 habe Alan H. sie dann gezwungen, mit ihm nach Bielefeld zu ziehen, wo seine Verwandten leben. »Das ging von jetzt auf gleich. Alans Bruder kam mit einem Transporter, und ich durfte nur die wichtigsten Dinge mitnehmen.« In Bielefeld sei das Leben mit dem Iraker die Hölle gewesen, erzählt Sophia S. »Jedesmal, wenn er die Wohnung verlassen hat, hat er Jan und mich eingeschlossen und das Gerät mitgenommen, an dem das Telefon und sein Computer angeschlossen waren. Ich musste ihn anflehen, um mit Jan zum Kinderarzt zu dürfen und ihn impfen zu lassen. Alan istdann mitgekommen.«
Der abgelehnte Asylbewerber habe von ihrem Arbeitslosengeld, ihrem Kindergeld und ihrem Erziehungsgeld gelebt. »Es gab Zeiten, in denen ich nicht einmal Windeln für meinen Sohn kaufen konnte.« Wenn sie gewagt habe, aufzubegehren, habe Alan H. zugeschlagen. »Es gab wohl keine Woche, in der er mich nicht verprügelt hat«, erzählt die Frau mit Tränen in den Augen. Einmal habe er einen Besen genommen, den Stiel abgeschraubt und solange auf sie eingedroschen, bis das Metallrohr gebrochen sei. »Ich bin eine Woche auf allen Vieren durch die Wohnung gekrochen, weil ich mich nicht aufrichten konnte«, erinnert sich die 20-Jährige. »Manches Mal hat Alan Jan geholt, bevor er mich verprügelt hat, und hat zu ihm gesagt: Schau hin, was ich mit der Schlampe mache.« Zu Hilfe sei ihr niemand gekommen - trotz ihrer Schreie. »In unserem Haus wohnten nur türkische Familien. Da hat niemand reagiert.«
Nachts habe der Iraker die Frau in Ruhe gelassen - meistens. »Ich durfte mich mit Jan in ein Zimmer einschließen. Wenn Alan allerdings mitten in der Nacht Hunger bekam, hat er mich geweckt, und ich musste für ihn kochen. Huhn und Reis.« In den 18 Monaten ihres Martyriums sei der Mann allerdings auch zweimal über sie hergefallen und habe sie vergewaltigt, sagt die Frau. »Beide Male bin ich schwanger geworden.« Zur ersten, medikamentösen Abtreibung, habe Alan H. sie begleitet. Zur zweiten Abtreibung im Krankenhaus habe der Iraker eine Verwandte mitgeschickt: »Damit ich nichts Falsches sage.«
Natürlich habe sie hin und wieder die   Möglichkeit
gehabt, zur       Polizei zu gehen - etwa, wenn der Mann sie zum Einkaufen geschickt habe, erzählt Sophia S. »Aber die Angst, dass seine Verwandten mein Kind dann aus Rache in den Irak verschleppen, hat mich zurückgehalten.« Erst am 28. August 2006 überwandt die Frau ihre Furcht: »Alan hatte mich verprügelt und war wütend aus der Wohnung gestürmt, ohne das Telefongerät mitzunehmen. Da rief ich die Polizei.«
Der Iraker sitzt seitdem in U-Haft. Vor dem Amtsgericht, wo ihm derzeit der Prozess gemacht wird, schweigt der Mann zu den Vorwürfen, besteht aber weiter darauf, Jans Vater zu sein - trotz eines gegenteiligen DNA-Gutachtens. Der Verteidiger hat inzwischen angeboten, sein Mandant werde ein Geständnis ablegen, wenn er mit zwei Jahren Haft auf Bewährung davonkomme. Das lehnt der Richter ab.

Artikel vom 10.03.2007