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Licht bis zum letzten Tropfen

Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen zeigt Willem Kalfs Stilleben

Von Elke Silberer
Aachen (dpa). Warum der Stillebenmaler Willem Kalf ausgerechnet die Zitrone zu seinem Markenzeichen machte, bleibt ein Rätsel. Aber 300 Jahre nach dem Trocknen der Farbe auf seinen Bildern lässt das saftige Fruchtfleisch dem Betrachter noch immer das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Der niederländische Künstler (1619-1693) beherrschte das Spiel mit dem Licht auf funkelndem Gold, schillerndem Porzellan oder glitzerndem Glas so perfekt wie kaum ein anderer. Er war angesehen, seine Auftragsbücher waren voll, er beeinflusste viele Künstler-Kollegen. Aber nie wurde er mit einer großen Ausstellung gewürdigt - bis jetzt: Nach Kalfs Geburtsstadt Rotterdam zeigt das Aachener Suermondt-Ludwig-Museum Werke des vergessenen Malers von heute an bis zum 3. Juni unter dem Titel »Gemaltes Licht«.
»Wir sagen, es ist der bedeutendste Stilllebenmaler überhaupt«, sagte die Aachener Kuratorin Sylvia Böhmer. Zusammen mit dem Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam begutachteten die Aachener die in Museen und Privatsammlungen verstreuten Bilder. Sie waren beeindruckt: »Es ist ungeheuer faszinierend, wie er mit dem Licht auf den verschiedenen Oberflächen, auf Gläsern und Metallgegenständen spielt.«
Die großen, prächtigen Stillleben sind die Glanzlichter der Ausstellung. Kalf malte Arrangements mit den Kostbarkeiten, die die Handelsreisenden von ihren Seereisen mitbrachten: Gläser, Korallen, exotische Früchte. Das berühmteste ist die Darstellung mit Nautiluspokal und Porzellandose aus dem Madrider Museum Thyssen- Bornemisza. Unter dem einfallenden Licht wird das Pozellan so fein, die Goldeinfassung des Pokals aus der Schale des Tintenfisches so schwer und edel, und die Falten des untergelegten Teppichs liegen schwer. Kalf malte den perfekten Schein bis zum letzten Tropfen Saft der Zitrone auf der Tischplatte. Die Berührung der Kostbarkeiten auf den Bildern finden noch heute im Kopf statt.
Kalf kam aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie und schlug mit seinem Weg in die Kunst aus der Art: Ein Bruder war »Gebühreneintreiber«, der andere ging auf große Fahrt, und die Ehemänner der Schwestern kamen aus der Wirtschaft. Der Künstler stieg mit Bauerninterieurs ein, kleine Formate mit Gemüse, Tongeschirr oder anderem Equipment im lichten Vordergrund. Im High-Tech-Licht der Ausstellung entfalten sie den zarten Charme der ersten Andeutungen von Licht und Wirkung. Kalf ging für drei Jahre nach Paris. Damit begann seine Zeit des kompromisslos-perfekten Umgangs mit Licht.
Kalf war ein angesehener Mann und lebte unspektakulär. So starb er auch. Sehr schnell sackte der Preis seiner Bilder. Für Sylvia Böhmer war es eine Frage des Marktes: »Im 18. Jahrhundert gab es einen völlig anderen Kunstgeschmack. Da ist er dann nicht mehr wahrgenommen worden.«

Artikel vom 07.03.2007