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Ein Philosoph auf Rädern
Ted Simon umrundete mit 70 zum zweiten Mal die Welt per Motorrad
Wer Motorrad-Reisebücher nach dem Schema »...und dann gaben wir dem Zossen wieder die Sporen...« liebt, der muss mit »Jupiters Träumen« seine Zeit nicht vertun.
Wer aber offen ist für eine philosophische und einfach großartig geschriebene Betrachtung der Welt von der Sitzbank eines Motorrades aus, der wird jetzt zum zweiten Mal von Ted Simon auf wunderbare Weise mit auf die Reise genommen.
Von 1973 bis 1977 machte sich der 1931er Jahrgang, in Deutschland geboren, erstmals auf, die Welt per Bike zu erobern. Weil er, der in England und den USA lebende Journalist, über etwas schreiben wollte, über das bis dahin noch niemand geschrieben hatte. Sein 1979 erschienenes Buch »Jupiters Fahrt« machte ihn gleichsam zum Gott aller fernwehkranken Motorradfahrer der westlichen Welt. Mit 70 machte sich Simon im Jahr 2001 wieder auf den Weg. Um noch einmal zu sehen, was er damals gesehen hatte. Und auch, um sich selbst zu beweisen. Seine zweite Fahrt durch 48 Länder in fünf Erdteilen hat er in »Jupiters Träume - Mit dem Motorrad um die Welt« zusammengefasst, in deutscher Ausgabe frisch erschienen beim DuMont Literatur und Kunst Verlag.
25 Jahre nach der Heimkehr von der ersten Weltumrundung hat ihn der Weg an viele der alten Plätze geführt. Dennoch war alles anders: die Menschen, die Straßen, die Grenzübergänge und - der Autor selbst nicht minder. »Jupiters Träume« berichtet nicht nur kritisch über Armut, Umwelt und Politik, sondern auch sehr offen davon, welche Anstrengungen es für einen Senior bedeutet, ohne Netz und doppelten Boden auf Abenteuerreise zu gehen.
Simon beschreibt aus ganz persönlichem Erleben, wie sich die Erde verändert hat. Als er vor 34 Jahren startete, lebten etwa vier Milliarden Menschen auf der Welt - nun sind es mehr als 6,5. Die Städte, von Slums und Industriegürteln umgeben, sind ausgeufert, damals einsame Strände dem Massentourismus anheimgefallen. Und war er 1975 als weißer Motorrad-Globetrotter ein neugierig bewundertes und mit zumeist grandioser Gastfreundschaft empfangenes Original, so weckte angesichts der Vielzahl der heutigen Weltenbummler selbst in entlegensten Weltregionen allein diese Eigenschaft kaum noch das Interesse der Bewohner.
Gleichwohl wurde seine neue Lust am Risiko mit Abenteuern und Begegnungen entlohnt, wie sie seinen Worten zufolge nur ein Alleinreisender haben kann. Mit intensiver und detailreicher Beschreibung, kritischen Kommentaren und uneitler Selbstbeobachtung hat er alles im zweiten Buch festgehalten. Doch wie schon in den 1970er-Jahren zweifelte er niemals, selbst nicht in der übelsten Situation mit gebrochenem Bein oder im Nirgendwo verreckter Maschine, am guten Ausgang des Trips.
Wer sich die 494 Seiten des neuen Buches (16,90 Euro) vornehmen will, sollte jedoch eines nicht versäumen: nämlich zunächst »Jupiters Fahrt« (rororo, 400 Seiten, 9,90 Euro) zu lesen, falls noch nicht geschehen. Denn bei aller Eigenständigkeit der neuen Geschichte - damit beginnt sie nun einmal. -ist-

Artikel vom 28.04.2007