07.03.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schulessen soll Pflicht werden

Viele Gymnasien ohne Mensa - Grüne halten das für unverantwortlich

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Ernährungswissenschaftler, Lehrergewerkschaften und die NRW-Grünen fordern für Schüler das Recht auf eine warme Mahlzeit. Das Landesschulgesetz solle entsprechend ergänzt werden.

»Wer den ganzen Tag aus dem Haus ist, soll mittags etwas Warmes essen«, mahnen die Grünen in einem Antrag an die Landesregierung. Was in jedem Betrieb selbstverständlich sei, nämlich eine Kantinenregelung, fehle ausgerechnet an den Schulen. Vor allem Gymnasien verfügten in der Regel nicht über Mensen. Wenn Schüler zwischen 7 Uhr morgens und 15 nachmittags nichts Warmes essen könnten, sei dies »unverantwortlich«. Um Abhilfe zu schaffen, sollten Land und Kommunen ein Finanzierungskonzept erarbeiten, fordern die Grünen.
Das gemeinsame Mittagessen müsse zum verpflichtenden Bestandteil des Schulalltags und von den Ländern bezuschusst werden, sagte der Ernährungswissenschaftler der Uni Paderborn, Helmut Heseker, gestern dieser Zeitung. In der Vergangenheit habe sich vielfach gezeigt, dass »Kinder aus unteren Einkommensschichten aus Kostengründen vom Mittagessen abgemeldet wurden«. Zusätzlich zum Land könnten Unternehmen oder Privatleute »Essensstipendien« übernehmen und damit die Mittagsverpflegung eines Schülers für ein Jahr sichern. »In den USA bekommt ein Viertel der Schüler das Essen vom Staat komplett bezahlt«, betonte Heseker. Als Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung warnt er vor dem Streben nach der billigsten Lösung: »Ein gutes Mittagessen kostet nun mal 2,50 Euro. Ansonsten leiden Frische und Geschmack, und die Mahlzeiten geraten oft zu salzig und fettreich.« Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung werde bis Ende des Jahres Qualitätsstandards für die Schulverpflegung erarbeiten.
In Ostwestfalen-Lippe könnten immer mehr Eltern 45 Euro monatlich fürs Mittagessen an Ganztagsgrundschulen nicht aufbringen, berichtete die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW OWL), Susanne Unger. Kinder kämen in die Klassen, ohne gefrühstückt zu haben. Unger: »Mineralwasser wird aus der Klassenkasse finanziert, die Schüler helfen sich untereinander mit Butterbroten aus.«
Es dürfe nicht von der zufälligen Finanzlage einer Kommune abhängen, ob es Essensangebote in Schulen gibt oder nicht, mahnte der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE NRW), Udo Beckmann. Die klassische Halbtagsschule gebe es kaum noch. In OWL wird ein Mittagessen in allen 24 öffentlichen Gesamtschulen und in 279 offenen Ganztagsgrundschulen angeboten. Wegen der zusätzlichen Unterrichtsstunden am Nachmittag als Folge des Abiturs nach zwölf Schuljahren richten zunehmend auch Gymnasien Mensen ein oder schließen Kooperationen. Schüler des Kreisgymnasiums Halle gehen zum Essen ins nahe Klinikum.

Artikel vom 07.03.2007