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Ein Endspiel vor der Haustür

Tabellenführer Schalke in Hannover - hier wohnt Mirko Slomkas Familie

Von Klaus Lükewille
Gelsenkirchen (WB). Die Strecke kennt er. Jeden Kilometer. Von Gelsenkirchen nach Hannover. Und wieder zurück. Denn hier, im Revier, da arbeitet Mirko Slomka (39), der Trainer des Bundesliga-Tabellenführers FC Schalke 04.

Im Norden, in der niedersächsischen Landeshauptstadt wohnt seine Familie. Die wird jede Woche einmal besucht. Meistens am Montag - wenn Slomka frei hat. »Dann kann ich total abschalten, dann bin ich nur für meine Frau Gunda und die Kinder da.« Luk (3) und Lilith (9) haben sich daran gewöhnen müssen, dass der Papa nur kurz vorbei schaut.
An diesem Samstag ist Slomka wieder in Hannover, doch da hat er zwischen 15.30 und 17.20 Uhr überhaupt keine Zeit für seine Kleinen. Die »Königsblauen« treffen auf die »Roten«, und der Trainer kündigte schon nach der Heimniederlage gegen den Hamburger SV an: »Jetzt müssen wir sehen, dass wir im nächsten Auswärtsspiel unsere Spitzenposition mit einem Sieg verteidigen.« Denn der Vorsprung ist nach dem 2:2 in Wolfsburg und zwei »Pleiten« vor eigenem Publikum von sechs auf drei Punkte geschrumpft.
Das Meisterschafts-Finale hat bereits begonnen - und das erste Endspiel steigt ausgerechnet vor Slomkas Haustür. Die 240 Kilometer lange Reise über die A 2 von Gelsenkirchen nach Hannover, das ist an diesem 10. März keine Privattour, sondern eine sehr wichtige Dienstfahrt mit höchst ungewissem Ausgang. Der Trainer warnt vor Hannover: »eine Mannschaft, die sich enorm gesteigert hat und vor allem in ihrer AWD-Arena zuletzt immer stärker auftrumpfte.«
Ein »Heimspiel« wird das also auf gar keinen Fall, obwohl Slomka in dieser Stadt lange zu Hause war. Von 1989 bis 1999 betreute er die Jugend der »96er«, von 2001 bis 2004 saß er als Assistent neben Chef-Trainer Ralf Rangnick auf der Bundesliga-Bank. Und Slomka gibt zu: »Dieses Duell gegen meinen Ex-Arbeitgeber, das ist schon eine ganz besondere Partie.«
Eine Rückkehr für 90 Minuten, die richtungsweisend sind. Die große Frage: Stoppt Schalke den Abwärtstrend - oder verspielen sie in der alten Heimat ihres Trainer die Spitzenposition? Eine dritte Niederlage in Serie gegen die Niedersachsen, das wäre das endgültige Alarm-Signal. Die Mannschaft, der Hertha-Trainer Falko Götz schon vor Wochen zur deutschen Fußball-Meisterschaft 2007 gratulieren wollte, sie wackelt.
Der Trainer steht aber weiter kerzengerade vor seiner Truppe. 1,89 Meter groß, schlank und rank, immer leicht Sonnenbank-gebräunt, meistens freundlich und nie besonders vom Stress gezeichnet. Slomka scheinen diese heißen Wochen eiskalt zu lassen. Aber natürlich kocht und brodelt es auch in diesem Fußball-Lehrer, der auf der Bank schon mal explodieren kann. Das bekommen dann in letzter Zeit verschärft die Schieds- und Linienrichter zu hören. Kleine Warnung an die Schalker: Wenn Slomka so weitermacht, wird er demnächst ein Spiel von höherer Warte aus verfolgen müssen. Dann schickt ihn ein Unparteiischer auf die Tribüne.
Da wäre an diesem Samstag in Hannover allerdings kein Platz mehr frei. Das WM-Stadion ist seit Tagen ausverkauft. Und auf dem Rasen dürfte es ebenfalls ziemlich eng werden. Die »96er« wollen den Spitzenreiter attackieren, würden ihn zu gern abservieren, denn sie schielen in Richtung UEFA-Cup.
Slomka kann also an seiner ehemaligen Wirkungsstätte nicht mit einem besonders freundlichen Empfang rechnen. Kollege Dieter Hecking wird ihm natürlich vorher höflich die Hand schütteln, aber das war's dann auch schon. Gastgeschenke gibt es nicht. Den »Dreier« wollen die Hausherren holen. Unbedingt. Da droht ein unangenehmer Nachmittag.
So richtig nett wird es für Slomka in Hannover aber mit Sicherheit wieder, wenn er seine Familie besucht. Und noch schöner wäre es, wenn er weiter als Spitzenreiter anreisen dürfte.

Artikel vom 10.03.2007