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Figuren in die Augen schauen

Barbara Auer und Klaus J. Behrendt im ARD-Drama »Einfache Leute«

Von Paul Barz
ARD, 20.15 Uhr: Klaus J. Behrendt, sonst nicht zimperlich, hat es diesmal denn doch mit heftigen Schamgefühlen zu tun.

»Ich gebe zu, ich musste mich gewaltig anstrengen, um über eine gewisse Grenze zu kommen.« Denn er, der seit seinem »dreizehnten Lebensjahr ausschließlich Mädchen und Frauen liebt«, spielt in Thorsten Näters Film »Einfache Leute« einen Homosexuellen.
Henrik Bode, einst eine Hoffnung im Schwimmsport, heute nur ein kleiner Bademeister, ist verheiratet, hat einen Sohn und ist äußerlich der glückliche Familienvater. Dann taucht ein Jugendfreund auf, und seine homosexuelle Vergangenheit holt ihn ein. Es ist aber nicht nur die Vergangenheit. Bode führt ein Doppelleben, taucht immer wieder ein in die harte Szene. Das kommt nun Schritt um Schritt heraus. Und seine Frau Betta muss erkennen: Sie hat Rivalen - Männer.
Barbara Auer spielt Betta. Sie las Bettina von Kleists Interview- Band »Mein Mann liebt einen Mann«, sie staunt über die Überlebensmöglichkeiten vieler Ehen: »Manche Frauen sagen: Okay, einmal in der Woche darfst du mit Männern.« Regisseur Näter: »Wahrscheinlich ist für Frauen die Rivalität mit einem Mann viel schlimmer als mit einer anderen Frau, weil sie ihr schließlich nichts entgegensetzen und nicht sagen können: Na gut, dann werde ich eben ein Kerl.«
Hier findet Betta zu einer überzeugenden, humanen Haltung, und der Film, nach einem Drehbuch von Johannes Reben, erzählt auch »die starke Geschichte einer starken Frau«. Es ist ein für Näter, den Regisseur handfester Actionkrimis, eher untypischer Film im Kammerspiel-Ton: »Aber das hier ist eine der Geschichten, nach denen ich immer mehr Ausschau halte. Anders als Actionfilme, bei denen der Regisseur angesichts der knappen Zeit beim Drehen immer ein wenig auf der Flucht vor sich selbst ist, muss man bei solchen Stoffen viel genauer hinsehen und seinen Figuren ganz genau in die Augen gucken.«
Auch er, wie sein Hauptdarsteller, hatte eine gewisse Schamgrenze zu überwinden. Ohne Studien vor Ort (gedreht wurde im Hamburger Kiez) »hätte ich daraus vermutlich eine gemütlichen Herrenabend gemacht.« Im übrigen wurde in Bremerhaven gedreht, denn »vor dem Hintergrund einer kleineren Stadt, wo niemand dem anderen so rasch aus dem Weg gehen kann, funktioniert die Geschichte besser«, findet Näter.

Artikel vom 07.03.2007