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Szene soll weg von der »Tüte«

Stadt will Randgruppen aus Stadthallen-Umfeld andere Treffs anbieten

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Passanten fühlen sich unsicher, Stadthallenbesucher und Hotelgäste meiden den Bereich wenn möglich, haben Angst davor, angebettelt oder belästigt zu werden - von Angehörigen so genannter Randgruppen, die in ihrem Kern aus 70 bis 80 Personen bestehen. Oberbürgermeister Eberhard David möchte das Umfeld von Hauptbahnhof und Stadthalle wieder zu einer Visitenkarte für die Stadt machen.

Deshalb hat er gemeinsam mit dem städtischen Sozialdezernat und der Polizei ein Konzept entwickelt, um die so genannte Szene von dort zu verlagern.
»Das ist mit Verboten nicht zu bewältigen, da müssen Angeboten gemacht werden,« sagt David.
Diese Angebote, deren Umsetzung die politischen Gremien noch im März zustimmen sollen, sehen so aus:
l Die Heilsarmee mit ihrem Leiter Pastor Michael Geymeier organisiert auf der städtischen Grünfläche vor der Bahnunterführung an der Schildescher/Ecke Herforder Straße an drei Tagen der Woche jeweils von 20 bis 1 Uhr ein Betreuungsangebot für die Szene. Die Stadt will die Heilsarmee unterstützen, in dem auf der Grünfläche Toiletten aufgestellt und als Sichtschutz Grünpflanzen gesetzt werden.
l Die Beratungsstelle »Die Kava«, Kavalleriestraße 18, verlängert ihre Öffnungszeiten inklusive einer Essensausgabe von heute 12 auf 16 Uhr.
l Das Drogenhilfezentrum Borsigstraße dehnt seine Öffnungszeiten von heute 16 bis 20 Uhr aus. Es gibt ein Abendbrot- und ein Freizeitangebot.
Sozialdezernent Tim Kähler: »Wir werden die Szene gezielt auf diese Angebote hinweisen.« Man wolle, so Kähler, die Menschen nicht »ausgrenzen, sondern eine Lösung versuchen«.
Zweite Säule: ordnungsrechtlich einzuschreiten. Polizeipräsident Erwin Südfeld weiß sich auf der rechtlich sicheren Seite: »Einsätze können der Vermeidung von Straftaten dienen, die ordnungsbehördliche Verordnung kann zur Anwendung kommen, es können Platzverweise erteilt werden.« Ziel sei die Verdrängung aus dem Umfeld der Stadthalle, hin in die Angebote des Hilfesystems.
Größte Befürchtung der Beteiligten: die Verlagerung der Szene in die Fußgängerzone oder ins Ostmannturmviertel.
Auch die Verkehrsbetriebe moBiel - vor allem der Zugang zur Stadtbahnhaltestelle »Hauptbahnhof«, die so genannte Tüte, ist Randgruppen-Treff - wollen die Maßnahmen unterstützen. Zuerst wolle man abwarten, ob die Verdrängung der Szene tatsächlich gelinge, so moBiel-Sprecher Wolfgang König. Wenn nicht, denke man daran, zu ähnlichen Mitteln zu greifen, wie die Hamburger Verkehrsbetriebe: Dort werde in den Stadtbahntunneln immer dasselbe Musikstück gespielt, was lagernde Gruppen auf Dauer vertreibe.
Kähler betont, man betrete mit der Kombination aus Angebotserweiterung - die Kosten dafür belaufen sich pro Jahr auf 200 000 Euro - und Druck »Neuland«: »Wir wissen nicht, ob es klappt, wollen aber nicht länger tatenlos zusehen.« Man werde »alle zwei Wochen« überprüfen, ob das Konzept zieht. Stadthallen-Geschäftsführer Hans-Rudolf Holtkamp ist froh über die Entscheidung, endlich etwas gegen die »Belagerung« zu unternehmen: »Im vergangenen Jahr haben wir zwei große Tagungen verloren, weil die Veranstalter den Teilnehmern dieses Umfeld nicht zumuten wollten.«

Artikel vom 07.03.2007