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Das Lebensgefühl
des Sommers 1968

»Bobby«: Hochkarätig besetzter Rückblick


Sie sind Menschen im Hotel und sie haben ihre Schwächen. Der Manager betrügt seine Frau, die alternde Diva hängt an der Flasche und ein, zwei Jungs schmeißen ihre ersten LSD-Trips ein. Es ist ein berühmtes Hotel, das Ambassador in Los Angeles. Es ist der 5. Juni 1968, ein Tag, der in den USA viel verändern wird: Robert Francis Kennedy, jüngerer Brudes des ermordeten US-Präsidenten, wird im Ambassador erschossen. Er hätte der nächste Präsident werden können, einer, der sich gegen den Vietnamkrieg aussprach. Seine Freunde nannten ihn »Bobby«.
Regisseur Emilio Estevez ist mit seinem hochkarätig besetzten Film »Bobby« - von Anthony Hopkins bis zu Elijah Wood sind drei Generationen Hollywood angetreten - eine bemerkenswerte Gratwanderung gelungen. Er erzählt nicht vordergründig die Geschichte eines Mordes. Estevez versucht vielmehr, im Rückblick Stimmungslagen jenes Sommers zu erfühlen. Das Ambassador ist sein Mikrokosmos, hier spielen erdachte Kurzgeschichten, deren Helden und Verlierer als Prototypen für ihre Zeit stehen. Mit dieser Mischung aus Fakt und Fiktion ist »Bobby« sehenswert für Zeitgenossen, aber auch reizvoll für die Jüngeren, denen dieses Amerika fremd sein mag.
Emilio Estevez hat das Jahr 1968 nicht bewusst erlebt. Er war sechs Jahre alt, als Robert Kennedy im Hotel angeschossen wurde und einen Tag später an seinen Verletzungen starb. Doch er war es, der seinem Vater, Schauspieler Martin Sheen, die Fernsehnachricht überbrachte. Kennedy war der Held des Vaters. Das Attentat blieb Estevez im Rückblick als der Beginn einer Zeit in Erinnerung, die trister war, aphatischer - und rar an Träumen und Illusionen.

Artikel vom 08.03.2007