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280 Ebay-Käufer unter Verdacht

»Neuware ab einem Euro« macht Staatsanwaltschaft misstrauisch

Von Christian Althoff
Herford  (WB). Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 280 Ebay-Kunden, weil sie gestohlenes Werkzeug ersteigert haben sollen. »Ein Startpreis von einem Euro für ein wertvolles Produkt - da hätten die Leute misstrauisch werden müssen«, sagt Staatsanwältin Julia Bauer.

»Drei, zwei, eins - meins!«: Dirk Schalles aus Herford, Inhaber einer Spedition mit 56 40-Tonnern, nutzt das Internet-Auktionshaus Ebay seit Jahren. »Sogar Zugmaschinen und Sattelauflieger habe ich dort schon für fünfstellige Summen ersteigert«, sagt der Unternehmer mit Betriebsstätten in Herford und Bad Salzuflen. Deutlich preiswerter war der nagelneue Gewindeschneidersatz, für den der Herforder vor mehr als einem Jahr den Zuschlag erhielt: 141 Euro überwies Schalles an den Verkäufer - eine Summe, die nur wenig unter dem Ladenpreis lag. Das Werkzeug war für den firmeneigenen Notdienstwagen bestimmt, der zu liegengebliebenen Lastwagen ausrückt. Bei einem solchen Einsatz blieb das Werkzeug auf der Strecke: »Der Monteur hat es nachts im Regen am Straßenrand vergessen. Das kommt vor.«
Dirk Schalles hatte das Werkzeug längst vergessen - bis er jetzt Post von der Kripo Herford bekam. »Ich erfuhr, dass die Staatsanwaltschaft Bückeburg wegen Hehlerei gegen mich ermittelt!«, sagt der 34-Jährige. Denn der Gewindeschneidersatz stammte aus einem Diebstahl.
Der Hersteller hatte die Polizei darauf hingewiesen, dass Werkzeuge aus seiner Produktion zu Dumpingpreisen bei Ebay angeboten würden und er keine Erklärung dafür habe. Ermittlungen ergaben, dass ein Mitarbeiter des VW-Werkes Hannover offenbar Werkzeuge im Wert von 25 000 Euro auf Rechnung seines Arbeitgebers bei einem Großhändler bestellt hatte. Dann soll er sie über einen Mittelsmann aus dem niedersächsischen Wiedensahl bei Ebay versteigert haben - neu und originalverpackt, ab einem Euro.
»Dass selbst wertvolle Waren zu einem Mindestpreis von einem Euro bei uns angeboten werden, ist völlig normal«, sagt Maike Fuest, Sicherheitsexpertin bei Ebay. Viele Auktionen liefen über eine Woche, und in dieser Zeit steige der Preis naturgemäß. »Wer etwas zu einem Mindestgebot von einem Euro anbietet, weiß, dass er in der Regel erheblich mehr dafür bekommt.« Auch Staatsanwältin Bauer bestätigt, die angebotenen Werkzeuge seien letztlich für Summen ersteigert wurden, die nur knapp unter dem Listenpreis gelegen hätten. Dennoch wirft die Ermittlerin bundesweit 280 Ebay-Kunden vor, bewusst Diebesgut erworben zu haben: »Wenn man einen wertvollen Gegenstand neu und originalverpackt für einen Euro angeboten bekommt, müssen die Alarmglocken schrillen. Da muss sich jeder fragen: Wo kommt das Zeug her?«
Ebay-Sprecherin Maike Fust hält dagegen, dass es ja gerade das Wesen einer Auktion sei, Käufer mit einem niedrigen Startpreis zu locken. »Das tun die meisten unserer Anbieter.« Rechtsanwalt Dr. Detlev Binder, der den Herforder Unternehmer vertritt, sagte gestern, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft sei nicht nachzuvollziehen: »Bei Ebay werden im Moment etwa 6,1 Millionen Produkte angeboten. Wenn die Behörden unterstellen, das jeder neuwertige Artikel mit einem Startpreis von einem Euro aus einem Diebstahl stammt, sind Deutschlands Polizei und Justiz lahmgelegt.«
Hehlerei wird wie Diebstahl geahndet - mit bis zu fünf Jahren Haft.

Artikel vom 07.03.2007