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Mit »Wundermittel« Krebskranke betrogen

Billige Entzündungshemmer für viel Geld verkauft

Kassel (dpa). Marlene Zahn hatte ihren Mann gedrängt. »Versuch es doch, vielleicht haben wir Dich dann noch ein Jahr länger«, habe sie gesagt, nachdem sie vor sechs Jahren vom russischen »Krebswundermittel Galavit« gehört hatte.
Marlene Zahn trauert um ihren verstorbenen Mann.

Ihr Mann Walter habe das Geld seiner Frau hinterlassen wollen, schließlich aber in die Behandlung eingewilligt. Kosten: Gut 10 000 Euro. Erfolg: Zehn Monate nach der Behandlung starb der Krebspatient. Sein Arzt und dessen Partner stehen jetzt in Kassel vor Gericht - wegen Betrugs.
Mindestens 167 Patienten sollen die Männer zwischen 1999 und 2001 behandelt haben. Mit Broschüren, Internetseiten und Fernsehberichten hätten sie Krebspatienten und deren verzweifelten Angehörigen für umgerechnet 8500 Euro - plus mehreren Tausend Euro für die Behandlung - das »Krebswundermittel« verkauft. Aus der Weltraumforschung stamme es und sei an 300 Kosmonauten und 30 000 Krebspatienten getestet. »Betrug«, sagt die Staatsanwaltschaft: Das Mittel koste in russischen Apotheken gerade einmal elf Dollar (weniger als neun Euro) je Ampulle. Auf diese Weise habe die Gruppe fast 2,7 Millionen Mark (1,34 Millionen Euro) eingenommen. Und: Galavit sei ein Entzündungshemmer, gegen Krebs völlig unwirksam.
Hauptangeklagter ist ein 63-jähriger Kaufmann, der das Geschäft organisiert haben soll. Dazu habe er sich in einem nordhessischen Klinikum eingemietet und einen Arzt angestellt. Der ebenfalls angeklagte Mediziner soll die Behandlungen geleitet und die Wirksamkeit des Präparats versichert. Die drei übrigen Angeklagten sind zwei Kaufleute, die die Ampullen beschafft und die Verwaltung abgewickelt haben sollen, und ein Journalist, der dafür verantwortlich gewesen sei, die Geschichte des » Wundermittels« in die Medien zu bringen.
»Es ist nicht bewiesen, dass Galavit nicht Krebs heilt«, sagt der Verteidiger des Hauptangeklagten. Er verweist auf Studien, die dem Entzündungshemmer eine Wirkung gegen Krebs attestieren würden, »auch wenn diese Untersuchungen vielleicht nicht unbedingt westlichen Standards entsprechen«. Es gebe auch »genügend« zufriedene Patienten. Wie viele? Schulterzucken. Mehr als die 167 Fälle der Anklage? »Eher nicht.«
Fast zwei Stunden dauerte gestern die Verlesung der 167 Namen und ihrer Behandlungsdaten. Es sind nur ein Dutzend, bei dem die Staatsanwältin nicht nüchtern »verstorben« hinzufügt hat.

Artikel vom 06.03.2007