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»Frauen in Afrika erledigen nicht nur Kindererziehung und Haushalt, sondern die Feldarbeit gleich mit.«

Leitartikel
Weltfrauentag

Der Pascha, das
Hemmnis


Von Reinhard Brockmann
Das Wort vom »Versagen des schwarzen Mannes« gilt gemeinhin als unsäglich. Darüber spricht »man« nicht - und »Mann« schon gar nicht.
Aber am heutigen Internationalen Weltfrauentag muss Klartext gesprochen werden. Weltweit werden Frauen mit Kindern von ihren Männern in bitterster Armut sitzengelassen, Vielehe bedeutet mancherorts weniger Tradition als Untreue, das Aidsvirus »verdankt« männlichen Testosteron-Schüben seine gewaltige Verbreitung in Afrika und Asien, in vielen Krisengebieten ziehen Männer nur zu bereitwillig mit der Waffe durch die Berge, ohne sich um ihre Familien daheim zu kümmern.
Ganz klar: Der Pascha ist ein Entwicklungshemmnis, und er verstellt Frauen die Chance auf Gleichberechtigung.
In armen Ländern werden mehr Mädchen auf kilometerlange Wege zum Wasserholen geschickt als in die Schule. Deshalb ist eines der Millenniumsziele »Zugang zu sauberem Wasser« mehr als bloße Ingenieuraufgabe. Emanzipation in patriarchalen Verhältnissen ist bitter nötig. Frauen erledigen nicht nur Kindererziehung und Haushalt, sondern die Feldarbeit gleich mit. Viele sind verantwortungsbewusster, verlässlicher und dennoch unterdrückt.
All dies ist kein Gesamtbild, aber auch mehr als die Litanei frustrierter Entwicklungshelfer. Der Weltfrauentag schärft den Blick. Dabei geht es nicht um die pauschale Verunglimpfung von Entwicklungsarbeit, sondern vielmehr um ein Plädoyer für sie.
Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hat recht, wenn sie beklagt, dass in den aller meisten Ländern der Erde bis zur faktischen Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen noch ein weiter Weg zu gehen ist. Wo Frauen und Männer vor dem Gesetz gleich seien, blieben Frauen auch heute noch vielfach benachteiligt, sagt sie und ergänzt: »Das gilt für die europäischen Gesellschaften, aber in besonderer Weise für die Entwicklungsländer.«
Dort besitzen Frauen nur 10 Prozent der Anbauflächen und weniger als 2 Prozent aller Landtitel, aber sie produzieren bis zu 80 Prozent der Grundnahrungsmittel. Außerdem: Gewalt gegen Frauen ist üblich. Männer im Südsudan etwa brauchen den Stock nicht nur für ihr über alles geliebte Vieh. Jenseits der Sahara und in der Karibik ist das Risiko für junge Frauen, sich mit Aids zu infizieren, bis zu sechs Mal höher als für junge Männer.
Und bei uns? Niemand rede sich mit den weitaus schlimmeren Verhältnissen anderswo heraus.
Solange keine einzige Frau im Vorstand der 30 wichtigsten deutschen Aktiengesellschaft sitzt, bleibt genug zu tun. Und nicht nur an der Spitze nehmen Männer den Frauen die Wurst vom Brot. Trotz umfangreicher europäischer Gesetzgebung verdienen Frauen zwischen Lissabon und Helsinki im Schnitt 15 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
Ausgerechnet im Halbjahr der deutschen Ratspräsidentschaft durch seine Kanzlerin ist Deutschland EU-Schlusslicht mit einem Lohngefälle von 26 Prozent.

Artikel vom 08.03.2007