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Trauer um letzten Sohn
des großen Expressionisten

Vincent Böckstiegel (82) an Herzversagen gestorben

Von Dunja Henkenjohann
Bielefeld/Werther (WB). Er hätte sich sicher sehr gefreut, wenn er noch gehört hätte, dass bis jetzt mehr als 10 000 Besucher die Böckstiegel-Felixmüller-Ausstellung in der Kunsthalle Bielefeld gesehen haben: Gestern Morgen ist der Künstlersohn Vincent Böckstiegel während eines Kuraufenthalts in Bad Wörishofen im Allgäu an Herzversagen verstorben - nur wenige Tage nach seinem 82. Geburtstag.

Mit dem Fotografen und Bildjournalisten ist das letzte Kind des Expressionisten Peter August Böckstiegel gestorben. Da sowohl er als auch seine 2005 verstorbene Schwester Sonja keine Kinder haben, hatten sie bereits 1992 mit dem Kreis Gütersloh einen Erbvertrag geschlossen (siehe Kasten rechts).
Vincent Böckstiegel wurde 1925 in Dresden geboren. Der Winter im Elbflorenz, der Sommer in Werther-Arrode - so sah die Kindheit des Böckstiegel-Sprösslings aus. Das künstlerisch-kreative Talent des Vaters lag Vincent im Blut. Nach dem Krieg war er Kameramann für die »Wochenschau«, anschließend arbeitete er bei der Kasseler Zeitung. Ende 1951 machte er sich selbständig und lieferte Bilder aus der ganzen Welt. Von 1969 an arbeitete Vincent Böckstiegel als Bildjournalist für den Evangelischen Presseverband und setzte seine Weltreisen fort: Israel, Indonesien, Japan oder Neuseeland - kaum ein Land, das er nicht mit der Kamera festgehalten hat. Seinen Erstwohnsitz hatte Vincent aber stets im westfälischen Werther.
»Ich bin tief erschüttert über seinen plötzlichen Tod«, sagte gestern Landrat Sven-Georg Adenauer und betonte, dass Vincent Böckstiegels Bedeutung für den Kreis Gütersloh gar nicht hoch genug bewertet werden könne. Schockiert zeigte sich auch Bürgermeisterin Marion Weike. Vincent Böckstiegel sei ein ungeheuer charmanter und belesener Mann gewesen, der einen sehr guten Kontakt zur Nachbarschaft hatte, sagte sie im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT.
»Der Mensch Vincent war charmant, liebenswürdig, warmherzig, witzig, manchmal aufbrausend - ein Mensch eben mit allen Ecken und Kanten, die heute selten sind«, sagt Susanne Bornemann, die seit 1999 unzählige Besucher durch das »rote Haus« in Arrode geführt hat. Aber auch die Begegnung mit dem Bildjournalisten und Fotografen Vincent Böckstiegel sei für sie von großer Bedeutung gewesen. »Es ist schade, dass diese Facette noch keine angemessene Würdigung erfahren hat.«
Vincent Böckstiegel habe sich und seine Arbeit als Fotograf nie gerne in den Vordergrund gestellt, sei lieber »Frontmann« für das Werk seines Vaters geblieben, bedauert Dr. Jan Honsel. »Albert Schweitzer - ja, den habe ich ja auch mal fotografiert«, zitiert der Vorsitzende des Böckstiegel-Freundeskreises Vincent aus einem Telefongespräch am vergangenen Donnerstag kurz vor seiner Abreise zur Kur.
Nach dem Tod seiner Schwester Sonja im September 2005 habe sich Vincent Böckstiegel merklich verändert, sagt Jan Honsel. Und doch sei er nicht pessimistisch gewesen, hätte noch Pläne für die Zeit nach der Kur geschmiedet. »Vincent sollte am 27. März den ersten Böckstiegel-Preis verleihen«, erklärt dessen Freund.
»Er war ein großer Fotograf«, ist auch Kunsthistorikerin und Böckstiegel-Expertin Vita von Wedel voll des Lobes. Sie habe mit Vincent immer ein Buch oder eine Ausstellung machen wollen. »Doch er wollte nie, obwohl er auch bedeutende Persönlichkeiten wie Adenauer oder Kennedy fotografieren durfte. Das macht mich besonders traurig«, erklärt sie.
»Er hat mit Leib und Seele dem Werk seines Vaters gedient«, stellt Dr. Jutta Hülsewig-Johnen, stellvertretende Leiterin der Kunsthalle und Kuratorin der Ausstellung »Arbeitswelten«, fest. Das Erlebnis, die Bilder des Vaters im einzigartigen Ensemble mit denen des Onkels, Conrad Felixmüller, zu sehen, habe ihn sehr gerührt, so Hülsewig-Johnen. Die Kunsthalle Bielefeld wird von heute an ein Kondolenzbuch auslegen. Vincent Böckstiegel wird auf dem evangelischen Friedhof in Werther seine letzte Ruhe finden. Ein Termin für die Beerdigung stand gestern noch nicht fest.

Artikel vom 06.03.2007