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Von Beginn an überrollt

Volleyball: Schwerinerinnen verteidigen gegen Dresden »ihren« Pokal

Von Hans Peter Tipp
Halle (WB). Die alten Meisterinnen haben den Ansturm der jungen Hüpfer abgeblockt. Vor 10 100 Zuschauern im nahezu ausverkauften Gerry-Weber-Stadion verteidigten die Frauen des Schweriner SC gestern mit einem souveränen 3:1 (25:17, 25:21, 17:25, 25:17) gegen den Bundesliga-Spitzenreiter Dresdner SC den deutschen Volleyball-Pokal.

Beim »schönsten Volleyball-Fest Deutschlands« (Nationalspielerin Sylvia Roll) überraschte der sechsfache deutsche Meister den Kontrahenten mit einem Blitzstart. Ehe sich die Dresdnerinnen bei ihrer ersten Finalteilnahme in Halle an die ungewohnt stimmungsvolle Atmosphäre gewöhnt hatten, lagen sie bereits mit 0:2 im Hintertreffen.
»Schwerin ist in die Halle gekommen und hat die Emotionen positiv umgesetzt«, beschrieb DSC-Trainer Arnd Ludwig den großen Unterschied, »wir sind in die Halle gekommen und waren beeindruckt.« Gleich sechs Aufschlagfehler leistete sich sein Team im ersten Satz. Zu viele, um in der Bundesliga zuletzt oft enttäuschenden Schwerinerinnen aufzuhalten. Neben der 33 Jahre alten Roll punktete in dieser Phase auch immer wieder Tina Gollan, die mit 1,98 Meter größte Spielerin auf dem Feld.
Erst im dritten Satz ließ Schwerin nach, und Dresden fand kurzzeitig zur Normalform, was Kathleen Weiß (Schwerin) anschließend lächelnd so kommentierte: »Es wäre ja auch wirklich zu schade gewesen, wenn wir bei dieser Stimmung schon nach drei Sätzen hätten nach Hause fahren müssen.«
Aber natürlich gingen das Nachlassen Schwerins und das Aufbäumen Dresdens Hand in Hand. »Den ersten Satz hatten wir total verpennt, und auch im zweiten haben wir nicht das gezeigt, was wir können. Erst im dritten haben wir das umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten.«
Doch das sächsische Zwischenhoch war schnell vorüber, zumal Schwerin nun immer wirkungsvoll über die Außenpositionen - und hier insbesondere über Patricia Thormann - zum Erfolg kam. Schon beim 6:12 meldete der 40 Jahre alte DSC-Trainer Ludwig, der in seiner aktiven Zeit lange in Paderborn gespielt hatte, zum zweiten Mal eine Auszeit an.
In einem letzten Kraftakt verkürzte sein Team noch einmal auf 14:17, doch dann waren sie plötzlich alle wieder da: Erst »trafen« Gollan und Thormann am Netz, dann sogar Roll aus dem Rückfeld. Beim 21:14 war eigentlich schon alles geritzt, denn diesen Vorsprung ließ sich der Titelverteidiger nicht mehr nehmen. Nach exakt 101 Minuten setzte Kathleen Weiß im zweiten Kontakt den letzten Punkt: »Ich habe aus dem Augenwinkel die Lücke gesehen und den Ball einfach reingedrückt.«
Sylvia Roll, die erfahrenste Spielerin, sprach nach dem Sieg von einer »360-Grad-Wendung- um die eigene Achse«, mit der ihre Mannschaft sich nach den vielen Rückschlägen in dieser Saison den Pokal geholt habe. Auch für sie hatte dieser Triumph eine besondere Bedeutung: »Einen Titel zu verteidigen, war mir bislang noch nicht vergönnt. Deshalb nehme ich den heutigen Erfolg als Herzenssache mit, als eine meiner liebsten und schönsten Erfahrungen.«
Ihr Trainer Tore Alexandersen, der seine Mannschaft beeindruckend fand, musste zu diesem Zeitpunkt nur noch eine Sache klären: »Vor dem Spiel habe ich versprochen, bei einem Sieg laufe ich rückwärts zurück nach Schwerin. Aber jetzt werde ich doch die Mannschaft fragen, ob sie mich im Bus mitnimmt.«
Trainerkollege Ludwig verband seinen Abschied aus Halle mit der Hoffnung auf ein Wiedersehen: »Wir haben das hier zum ersten Mal erlebt. Jetzt wollen wir im nächsten Jahr wiederkommen. Und dann werden wir nicht so ängstlich spielen.«

Artikel vom 05.03.2007