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Mit Triebtätern
härter umgehen

Zypries plant schärferes Gesetz

Berlin (Reuters). Die Ermordung des neunjährigen Mitja hat eine neue Debatte über schärfere Gesetze gegen Triebtäter ausgelöst. Bundesjustizminister Brigitte Zypries kündigte am Freitag an, die Führungsaufsicht für bestimmte Fälle unbefristet zu verlängern.

Zypries sagte, kommende Woche werde es eine Anhörung zu dem Thema geben. Anschließend könnte der Gesetzesentwurf zügig verabschiedet werden. Eine Führungsaufsicht auf unbestimmte Zeit soll demnach dann möglich sein, wenn Straftäter Therapieanweisungen nicht einhalten. Die Gerichte sollen außerdem mehr Möglichkeiten bekommen, gefährlichen Straftätern nach ihrer Entlassung Auflagen zu erteilen.
Unterdessen dauern die Ermittlungen zur Rekonstruktion des genauen Tathergangs an. Der Staatsanwalt sagte, der mehrfach vorbestrafte Sexualstraftäter Udo Kolbig (43) verweigere bislang die Aussage. Die Anklage solle gleichwohl möglichst im nächsten halben Jahr fertiggestellt sein. Allein die Auswertung des Spurenmaterials werde jedoch Wochen dauern. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, Mitja Ende voriger Woche sexuell missbraucht und ermordet zu haben. Er hatte die mehrtägige Flucht vor der Polizei am Donnerstag früh durch einen Selbstmordversuch beendet und wurde schwer verletzt in ein Leipziger Klinikum eingeliefert. Er hatte sich vor eine Straßenbahn geworfen. Klinikchef Arved Weimann sagte, der Zustand des Patienten sei stabil. Er habe Quetschungen am gesamten Körper und müsse noch mindestens bis Montag auf der Intensivstation bleiben. Weimann sagte, der Beschuldigte sei ansprechbar und dem medizinischen Personal gegenüber kooperativ, er werde aber erst in einigen Tagen für längere Zeit vernehmungsfähig sein.
Der Hannoveraner Kinderpsychologe Wolfgang Bergmann sieht eine besondere Tragik darin, dass Mitja das erste Mal allein nach Hause kommen durfte. Daraus sollten aber keinesfalls Schuldgefühle und gegenseitige Vorwürfe bei den Eltern erwachsen. »Hier gibt es nur einen Schuldigen und das ist der Täter«, sagte Bergmann. Die Motivation »nach vorne zu denken und zu leben«, könne Orientierung geben. Die Familie hat noch acht weitere Kinder.
Mit Unverständnis hat indessen der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) auf Vorwürfe reagiert, die Polizei habe Kolbig mit ihrer Fahndung in den Suizidversuch getrieben. »Das Vorgehen war absolut verhältnismäßig und auch erfolgreich«, sagte BDK-Vorsitzender Klaus Jansen. Der Täter hätte dem Fahndungsdruck entgehen können, indem er sich gestellt hätte. Der Kriminologe Rudolf Egg hatte kritisiert, auch der Tod von Mitja habe keine Treibjagd auf den mutmaßlichen Täter gerechtfertigt. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 03.03.2007