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»Die Gespanne brachen durchs Eis«

Magda Rahnenführer (66) im Todestreck über das Frische Haff


Magda Rahnenführer, geb. Skottke, wurde 1941 in Seeben, Kreis Preußisch-Eylau (südlich Königsberg) geboren. Es waren ihre älteren Brüder, die ihr alles erzählen - auch von der Flucht über das zugefrorene Frische Haff. Die Rote Armee hatte am 21. Januar Ostpreußen eingekesselt.
»Meine Mutter war bereits 1944 gestorben. Weil die Russen am 26. Januar das Haff erreichten, muss mein Vater mit meinen Brüdern und mit mir kurz zuvor durchgeschlüpft sein. Und wir hatten die Wirtschafterin unseres Hofes mit ihren beiden Kindern dabei. Ich hatte mich auf dem Wagen unter Decken und Gerät verkrochen und habe wohl die Schrecken verschlafen. Direkt hinter uns aber tat sich plötzlich das Eis auf und verschlang ein ganzes Gespann.
Denn die Russen verfolgten uns mit ihren Flugzeugen, schossen mit MGs und ließen Bomben fallen, die das Eis sprengten. Ich litt jahrelang unter Alpträumen.
Wir Kinder haben es bis Stolp [Hinterpommern] geschafft, aber meinen Vater haben die Russen unterwegs ÝgeholtÜ. Nach dem Krieg hat meine Tante ihn suchen lassen - nach fünf ergebnislosen Jahren wurde er für tot erklärt.
In Stolp wurden wir von den Polen zwei Jahre festgehalten und haben dort mehr schlecht als recht gelebt. Das Essen war so grauenhaft, dass ich es gelegentlich wieder von mir gab - dann wurde ich gezwungen, das Erbrochene zu essen. Und unsere Wirtschafterin hat unsere besten Kleidungsstücke ihren Kindern gegeben und unsere Sparbücher gestohlen.
Als ich sechs war, kamen wir endlich frei. In Weißenfels [nordöstlich Naumburg] wurden wir Kinder auf verschiedene Pflegefamilien verteilt. Eines Nachts im Jahre 1961 habe ich den Hausschlüssel über den Zaun geworfen und bin in den Westen getürmt. In der DJO [Deutsche Jugend des Ostens, heute: DJ in Europa] fand ich Anschluss - und auf der Rückfahrt von einer Parisreise hat es zwischen mir und meinem späteren Mann Uwe gefunkt . . .«

Artikel vom 03.03.2007