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Das Machtwort vor dem Tor

Jörg Böhme wollte raus, doch sein Trainer ließ ihn nicht - zum Glück

Von Dirk Schuster
Bielefeld (WB). Den Elfmeter zum 2:1 rausgeholt, das 3:2 kurz vor Schluss selbst geschossen: Jörg Böhme hat großen Anteil daran, dass Fußball-Bundesligist Arminia Bielefeld die Abwärtsspirale gestoppt hat. Doch ohne das Machtwort des Trainers wäre es zum Siegtor (86.) gar nicht gekommen. Jedenfalls nicht durch Böhme.
In Jubelpose: Jörg Böhme.
»Ich habe ihm gesagt, du spielst durch«, wies Frank Geideck den Wunsch seines Spielers, nach 80 Minuten ausgewechselt zu werden, rigoros ab. Böhme gab an, er sei gegen Ende total platt gewesen. Man mag es ihm gern glauben. Wer mit 33 Jahren rennt und kämpft wie mit 23, darf sich schon mal einen früheren Feierabend wünschen. Den dann auch genehmigt zu bekommen, ist das andere. »Frank hat nicht so reagiert, wie ich mir das vorgestellt hatte«, sagte Böhme und sah dabei nicht so aus, als sei er darüber besonders böse.
Vorher, auf dem Platz, hatte der Armine gelegentlich ganz anders geguckt. Als er mit Raphael Schäfer zusammenprallte zum Beispiel. Da riss Böhme die Augen ganz weit auf und brüllte, weil ihm offenbar nicht passte, dass Nürnbergs Torwart am Boden liegen blieb. Mit ausgestrecktem Bein war Böhme in Schäfer hineingerauscht. »Aus meiner Sicht war der Ball frei«, beteuerte der Armine. »So etwas passiert 1000 Mal in einem Spiel. Ich habe mich beim Keeper entschuldigt.«
Noch bevor DSC-Trainer Geideck durchsetzte, dass Böhme durchspielt, lag es also bereits an Schiedsrichter Marc Seemann (vierter Erstligaeinsatz), früh im Spiel eine Entscheidung zu treffen, von der er in diesem Moment noch nicht ahnte, welche besondere Bedeutung sie haben würde. Statt Rot entschied der 33 Jahre alte Jurastudent im Staatsexamen seinem ausgeprägten Sinn für die Gerechtigkeit folgend auf Gelb.
Raphael Schäfer trug ein Veilchen auf der rechten Wange davon, Böhme die Gewissheit, dass er an sein Team mit dieser Aktion beim Stand von 0:0 ein deutliches Signal gesendet hatte.
In puncto Einsatzbereitschaft war Böhme, der nahtlos an seine Leistung in Cottbus anknüpfte, ein Vorbild. Das wertete auch DSC-Kapitän Mathias Hain so: »Bei Jörg kann man sehen, dass er im Vergleich zu uns anderen schon viele Titel gewonnen hat. Das war ganz, ganz groß.«
Besonders hatte Hain imponiert, »wie er beim Siegtor nachgesetzt hat«. Es gehöre immer auch ein bisschen Glück dazu, sagte der zweifache DFB-Pokalgewinner Böhme. Dass er vor allem ganz viel Willen einsetzte, um dieses für Arminia bahnbrechende Tor zu erzielen, verschwieg er. Es hatte ja auch jeder gesehen. Natürlich auch die Fans im Stadion. »Böhme auf den Zaun«, forderten sie so lange, bis ihr Held ihrem Bitten endlich nachgab.
Nachdem das ganze Humbatätärä verklungen war, meldete sich Hans Meyer zu Wort. Nürnbergs Trainer formulierte: »Es war Ironie des Schicksals, dass der Mann, der das Spiel gewonnen hat, für sein rücksichtsloses Foul an unseren Torwart Raphael Schäfer eigentlich die Rote Karte verdient gehabt hätte.« Auch hierauf hatte Jörg Böhme, genau wie zuvor auf das Ausgleichstor zum 2:2, die passende Antwort parat und sagte: »Da soll der Herr Meyer doch mal nach England gucken. Da würde man über so etwas gar nicht diskutieren.«

Artikel vom 05.03.2007