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Ohne Muttersprache geht nichts

Europäischer Tag der Logopädie: Experten beantworten Fragen

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Der Vater ist Türke, die Mutter Deutsche. In welcher Sprache sollen sie mit ihrem Kind reden? Die Antwort auf diese Frage gibt die Lehranstalt für Logopädie in Bielefeld am Dienstag.

»Mehrsprachigkeit ist vielversprechend« lautet das Motto des 3. Europäischen Tages der Logopädie am 6. März. Mehrsprachigkeit bei türkischen oder russlanddeutschen Zuwandererkindern werde zum Problem, wenn die Muttersprache vernachlässigt wird, sagt Edgar Thieme. Der Logopäde unterrichtet an der Lehranstalt in Bielefeld und sitzt mit Kollege Michael Bölte am Dienstag von 10.30 bis 12.30 Uhr am Telefon (0521/5200754), um Eltern zu beraten.
Die Muttersprache bilde die Grundlage für den Erwerb des Deutschen. Deshalb sollte sie bis zum Eintritt in den Kindergarten bevorzugt gesprochen werden. »Die meisten Kinder von Migranten lernen dort innerhalb eines Jahres Deutsch«, betont Thieme. Werde daheim statt dessen weder richtig Türkisch noch Deutsch gesprochen, wüchsen Kinder mit einer »doppelten Halbsprachigkeit« auf. Sie können sich in keiner von beiden vernünftig ausdrücken.
Logopäden helfen bei Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen. Dem Deutschen Bundesverband für Logopädie (dbl) in Frechen gehören 10 000 Mitglieder an. In Deutschland leben 15 Millionen Menschen, die selbst oder deren Eltern eingewandert sind. In der Regel haben sie zuerst eine andere Sprache als Deutsch erlernt.
Mehrsprachigkeit löse keine Sprachentwicklungsstörungen aus, wissen Logopäden. Sie kämen bei diesen Kindern sogar seltener vor. Wenn sie dennoch festgestellt würden, seien sie meist schwer wiegend und beträfen alle Sprachen. Was können Eltern tun, damit es dazu erst gar nicht kommt? »Sie müssen Sprachvorbilder sein«, betont Thieme (50). Handele es sich um den Nachwuchs eines gemischt nationalen Paares, sollten beide Sprachen praktiziert, aber nicht in einem Satz vermischt werden. Thieme rät, »Inseln« zu bilden: etwa beim Frühstück nur Türkisch zu reden, beim Mensch-ärgere-dich-Spiel am Nachmittag nur Deutsch. Auch tageweise könne mal die eine, mal die andere Sprache gewählt werden. Neben der Lehranstalt in Bielefeld gibt es auch in Bad Lippspringe (Kreis Paderborn) eine Fachschule für Logopädie (Telefon: 05252/954570).

Artikel vom 03.03.2007